Marthas Königsberg

Martha Ehlert

Martha ist eine meiner vier Urgroßmütter. Am 9. Mai 1854 war sie ein neugeborenes Kind in einem Kaufmannshaus mit der Adresse Vordere Vorstadt 31 in Königsberg. Das Haus muss direkt am südlichen Ufer des Pregel, wo die vom Kneiphof kommende Brücke endete, gelegen haben. Ihr Vater war der Getreidekaufmann Otto Ehlert, 35 Jahre alt. Ihre Mutter war Ottilie Ehlert, geb. Guthzeit, 21 Jahre alt. Martha hatte schon eine um fast zwei Jahre ältere Schwester, Klara. Man darf vermuten, dass die Eltern Otto und Ottilie sich nach Klara einen Sohn gewünscht hatten. Aber nun war es wieder ein Mädchen geworden, eben Martha.

Zum Glück sollten 1856, 1858 und 1860 die Söhne Oskar, Hugo und Felix folgen, dann wurde 1862 noch einmal ein Mädchen, Anna, und zum Schluss 1864 wieder ein Junge, Walter, geboren. Mutter Ottilie hat also sieben Kinder in 12 Jahren zur Welt gebracht. Nur eins, Felix, starb schon mit drei Jahren an einer der damals noch sehr gefährlichen Kinderkrankheiten. Alle andern wurden erwachsen, zum Teil sogar recht alt.
Martha wuchs in einer großen Geschwisterschar auf. Das war nach meiner Großmutter „Familienplaudereien“ schon nicht mehr im Haus Vordere Vorstadt Nr. 31, sondern Auf den sieben Hufen, einer grünen Villensiedlung im Osten Königsbergs.
Die Bedingungen, unter denen die Kinder des Getreidehändlers aufwuchsen, waren sehr günstig. Otto Ehlert führte Getreide aus Russland über den Hafen Königsberg aus und Kolonialwaren, vielleicht auch Industriewaren nach Russland ein. Nach seiner Tochter Erzählungen verdiente er gut, ja, er war reich. Amme, Kinderfrau und Köchin standen Mutter Ottilie bei. Das Hausmädchen hieß ein für alle mal Johanne. Kutscher und Diener waren im Hause. Der Diener, ein Hüne, hieß immer Zervenat. Es war streng untersagt, daß er Zervelat gerufen wurde. Über die Herkunft der Diener schreibt meine Großmutter nichts. Es mögen unter ihnen Menschen litauischer und  polnischer Muttersprache gewesen sein.
Im Kontor arbeiteten mehrere Angestellte, die Büroherren. Auch die gehörten zur Kinderwelt von Martha. Ihrer Tochter erzählte sie später: „Einer hatte eine Guitarre, auf der er klimperte und da war beliebt das Lied von der Älplerin und das alte Faktotum wurde von den Kindern seines Chefs so lang gequält, bis er es zum besten gab: „Mein Lieb ist eine Älplerin – gebürtig aus Tirol (plim – plim) – sie trägt wenn ich nicht irrig bin – ein schwarzes Kamisol (plim – plim!) doch schwärzer als ihr Kamisol ist ihrer Augen Macht – mir wird so weh, mir wird so wohl, schau ich in diese Nacht.“ Erst nach Preisgabe dieses Liedes trollten sich die Kinder wieder. Ein anderes Original hatte ein Schnupfenrezept, das bei Erkältungen angepriesen wurde. Der Büroherr selber, so behauptete er, spanne eine Wäscheleine durchs Zimmer, zöge seinen Pelz an und hopse dann wie wild nach einer bestimmten Ordnung eine bestimmte Zeit daran auf und ab. Natürlich war er schweißgebadet. Danach legte er sich zu Bett und schlief. Am nächsten Morgen war er gesund.“ Wenn meine Großmutter Edith mir das erzählte, fügte sie hinzu: nur für ostpreußische Naturen nachahmenswert.
Manchmal durften die Kinder mit an den Hafen kommen, wenn ihr Vater nach einer Getreideverladung sah, und „Martha sah dann staunend die Sackträger – muskulöse Männer, die sehr rauflustig in den Hafenschänken auftraten – denn sie waren stark und bekamen hohe Löhne. Über Zentner schwere Säcke trugen sie vom Ladewagen laufend über die Planke zum Schiff eilend, weil sich nur in Schnelligkeit die Lasten tragen ließen, mit einem Ruck fielen dann die Körner in bestimmte Luken und langsam laufend kamen sie zurück. Diese Leute hätten unglaublich gut essen müssen und schafften es wohl auch nur ein Jahrzehnt.“ So steht es in den „Familienplaudereien“ von Marthas einziger Tochter, meiner Großmutter Edith Behn.
Wie viele Menschen für die Kaufmannsfamilie arbeiten mussten, weiß ich natürlich nicht. Martha empfand das als selbstverständlich. Auch später, als dieser Reichtum dahin war, hat sie mit Bewunderung für ihren Vater und mit dem Nachgeschmack des Glücks davon gesprochen. Ihre Tochter Edith schreibt darüber nach den Erinnerungen ihrer Mutter: 
„Natürlich wurde viel gebraucht. Großmutter hatte ein Körbchen – eine Geldschwinge – die schickte sie leer ins Büro – Großvater füllte sie. Ich glaube nicht, daß meine Großmutter verschwendete, aber sie rechnete auch nicht, der so viel ältere Mann gab und sie nahm in der Überzeugung, daß er es könne. Das Haus war immer voll Besuch. Es gab kaum einen Tag, an dem nicht Freunde der Kinder, Verwandte, Freunde kamen – dann als Kamerad des Bruders Oskar auch Hermann Behn und seine Freunde. Dazu gehörten besonders Mudra, der nachmalige Armeeführer im I. Weltkrieg, (heute noch gibt es bei den Pionieren der Bundeswehr einen von-Mudra-Preis!) und Geiseler, der auch Generalleutnant wurde. „Rührende kleine Geschenke“ brachte der junge Pionieroffizier Behn als Werber, stundenlang pilgerten sie im Garten „um das große Rosenbeet“, dann kam Geiseler mit seiner Fatinitze – seinem neuen schönen Pferd.“
„Wie schön frei war das Leben im großelterlichen Hause“, fährt Edith an anderer Stelle fort, „Feste und Diners – Familientanzgesellschaften – gab es immer. Meine Mutter entsann sich dabei immer ihres gestrengen Großvaters (mütterlicherseits) (das war Carl Guthzeit), der sehr elegant tanzte und manchmal eine ältere Dame oder eine Tochter zum langsamen Walzer aufforderte. Martha stand als Heranwachsende dann in der Tür. Äußerst zierliche Kreise, mit der Fußspitze gezogen, hätte er dabei beschrieben. Meine Mutter selbst war eine leidenschaftliche Tänzerin. Als die ältere Schwester Clara herangewachsen war und Feste mitmachen durfte, weinte die 15jährige Martha trostlos – „laßt sie doch“ sagte der gute Vater und so ging sie schon früh mit zum Tanz. Wie oft hat sie ihr erstes grünes Ballkleid mit einem Schneeglöckchenstrauß beschrieben. Martha hatte schöne helle Zähne, eine gute mittelgroße Figur, große dunkle Augen und ein hübsches Gesicht. Sie war nur sehr kurzsichtig.“
Die Verwandtschaft spielte in Marthas Kindheit eine wichtige Rolle. Den Großvater väterlicherseits, den Stadtchirurgen von Rastenburg Joseph Ehlert, hat Martha nicht gekannt. Nach dem Adressbuch von Königsberg 1857 wohnte seine Frau, die „Doktors-Witwe Ehlert“, bei Marthas Geburt im Haus Vordere Vorstadt 31 bei Sohn und Schwiegertochter, zusammen mit der einzigen noch lebenden Tochter. Edith nennt diese Großtante Ehlert einmal Ida, einmal Anna. Aber eine Tochter Ida gibt es nach dem Rastenburger Kirchenbuch in dieser Generation gar nicht. Ida Ehlert heißt erst eine Schwester von Martha. Eine Anna ist das letzte Kind der 1. Frau des Stadtchirurgen Ehlert. Sie wäre eine Halbschwester von Otto und sechs Jahre älter als er. Oder es war die leibliche Schwester Ottos, Eva Emilie, die vier Jahre älter als er war. Diese Tante Marthas starb ledig, als Martha 16 Jahre alt war, also 1870, mit 57 oder 55 Jahren. „Im Sarge hatte man ihr die Zöpfe gelöst, die bis zu den Knien gingen. Damals trug man armdick die falschen Haare – sie hatte das nicht nötig. Sie soll liebreich und kinderlieb gewesen sein. Es war ein Stück Kindheit, die Mutter 16jährig mit ihr begrub,“ schreibt Edith. Die „Doktors-Witwe“, die Großmutter väterlicherseits, war offenbar schon vorher gestorben. Sie spielt in Marthas Erinnerungen keine Rolle mehr.
Umso deutlicher zeichnet sich die mütterliche Verwandtschaft ab. Da ist zunächst der schon erwähnte Großvater Karl Guthzeit, der Teilnehmer am Befreiungskrieg, der Landmesser bei den Hardenbergschen Reformen, der Gutsbesitzer und Particulier. Er wurde 72 Jahre alt. Martha war 9 Jahre alt, als er 1863 starb.
Großmutter Johanna, geb. Krause, überlebte ihn um zwei Jahre. Sie war von weicherem Charakter, tapfer, verträglich und eine großzügige Gastgeberin. Das rühmt ihre Tochter Ida. Auf Martha hat sie keinen nachhaltigen Eindruck gemacht.
Eine größere Rolle spielte die jüngere Schwester des Großvaters, Amalie Guthzeit, eine tüchtige und selbstbewusste ledige Frau. Sie hatte als Mädchen ihrem Vater den Haushalt geführt und lebte seit dessen Tod im Hause ihres Bruders Karl Guthzeit. Erst als alte Frau hatte diese Großtante Marthas eine eigene Wohnung, stand aber immer in engstem Kontakt mit ihren Nichten und Neffen, an deren Pflege und Erziehung sie tatkräftig mitgewirkt hatte, und war auch für Großnichten und Großneffen eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie starb 1877 als 84jährige, Professor Ludwig Friedländer, ein angeheirateter Neffe, hielt „der besten aller Tanten“ die Grabrede. Da war Martha 23 Jahre alt.
Nach den Erinnerungen Marthas erzog Tante Amalie die beiden jüngsten Kinder ihres Bruders, die Johanna und Karl hießen. Johanna war etwa 12, Karl etwa 10 Jahre älter als Martha. Obwohl nach der Generationenfolge eigentlich ihre Tante und ihr Onkel, erlebte Martha sie wie ältere Geschwister. Sie waren häufig im Ehlertschen Hause. Später gingen sie zusammen nach Breslau, wo Karl Regierungsrat bei der Deutschen Reichsbahn war. Sie waren einander als Geschwister lebenslang sehr verbunden.
Eine Tante mütterlicherseits war Ida Henné. Sie hatte drei Kinder, die auch oft in Marthas Elternhaus auftauchten. Der Kinder Vater, der schicke Leutnant Henné, hatte als Gutsbesitzer bankrott gemacht. Nach Marthas Erinnerungen unterhielt ihr Vater die Familie. Martha hatte als Backfisch den dramatischen Auftritt miterlebt, als ihr Vater und sein Schwager über die Schulden stritten. Edith schreibt: „Mein Großvater half ihm dann nach wiederholten Versuchen über das große Wasser. Meine Mutter wurde als Backfisch zufällig Zeuge. Sie wurde nachts wach, sah Licht im väterlichen Zimmer und glaubte, die Lampe wäre vergessen. Sie hörte dann ihren Vater scharf sprechen und sah den Onkel zerknirscht daneben. Schnell entfloh sie. Sie sah ihn das letzte Mal.“
Nach den Aufzeichnungen seiner Frau Ida ging Leutnant Henné nicht in die Vereinigten Staaten, sondern nach Russland, d.h. in das von Russland nach der dritten Polnischen Teilung besetzte Warschau. Er trat in die Dienste des Grafen von Braunschweig, der offenbar bald in Warschau, bald in Dresden tätig war. Leutnant Henné starb jung 1871 an einer Krankheit und ließ seine Familie mittellos zurück. Von dieser Tante Ida Ehlert, verheiratete Henné, besitze ich eine 183 Seiten umfassende Familienerzählung. Unser Verwandter von der Guthzeitschen Seite, Herr Dr. Georg Dehio in Reppenstedt, hat sie mir freundlicher Weise zugänglich gemacht.
Die älteste Schwester von Marthas Mutter Ottilie war Tante Laura Friedländer. Als Otto Ottilie heiratete, war sie nach Ida Hennés Aufzeichnungen mit dem Apotheker Reinhold Heinrichs auf dem Sackheim verlobt. Er starb nach nicht einjähriger Verlobung. „Ein beginnendes Brustübel machte es nötig, daß Schwester Laura dreimal Ober-Salzbrunn besuchte.“ Vielleicht war es ein Ausdruck ihrer Trauer. Jedenfalls bewahrte es sie vor schneller neuer Verlobung durch den Vater. Dann warb der junge Dozent der Altphilologie Dr. Ludwig Friedländer um sie. Er stammte aus einer jüdischen Königsberger Kaufmannsfamilie. Edith erzählt, dass Laura lange gezögert habe, einen Juden zu heiraten, aber durch die Treue des Werbers überwunden wurde. Ludwig ließ sich angeblich ihretwegen taufen, ihre Kinder waren lutherische Christen, wie es in Königsberg üblich war. Dass er ein bekannter Wissenschaftler war und bald Ordentlicher Professor an der Albertina, schmeichelte der Verwandtschaft, Verständnis für seinen Rang hatte sie nicht. Erzählstoff bot allein die Zerstreutheit, die der Gelehrte im praktischen Leben bewies, nicht seine berühmten „Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms“, nicht die kommentierten Ausgaben von Juvenal, Martial und Petronius. Das ist eben Familie! Dafür feierte man miteinander. Auch die Kinder Friedländer namens Paul, Charlotte und Konrad tauchten oft im Ehlertschen Haus als Gäste auf.
Zu den Gästen des Hauses gehörte auch Felix Dahn mit seiner Frau. Edith schreibt dazu: „…jedenfalls war er ein häufiger Festgast im großelterlichen Hause mit seiner 2ten noch jungen aber sehr originellen Frau… Sie und ihr Mann durchwanderten die Straßen in Zwillingstracht mit großen Künstlerkalambresern und Kragenmänteln. Ein niedliches Gelegenheitsgedicht machte er mal auf meine Mutter.“ Als Hermann Behn noch neu war im Hause Ehlert, wusste er nicht, „wen er vor sich hatte in dem großen Kreise. Er sprach allerlei mit ihm über Bücher und sagte dabei: „Kennen Sie den Kampf um Rom?“ „Ach nein“, sagte mein guter Vater ahnungslos, „ich habe soviel dienstliche Lektüre – man kann ja nicht alle Bücher kennen!“ Da klopfte ihm Dahn auf die Schulter und sagte: „Ich werde mir erlauben es Ihnen zuzusenden“ -  „Schön“, dachte Vater, „netter alter Herr“. Am nächsten Tage bekam er es mit Widmung zugestellt und wurde oft herzlich ausgelacht. Leider ist dies wertvolle Exemplar verloren gegangen.“
Guthzeit, Ehlert, Hennè und Friedländer sind unsere Familiennamen in Königsberg etwa ab 1848. 1876 tritt der Name Behn hinzu. Unser Urgroßvater Hermann Behn kommt zusammen mit den Kameraden Geiseler und Mudra als junger Pionierleutnant vom Gardebataillon in Berlin nach Königsberg „zur Fortifikation“, also zur Ausbildung im Bau von Verteidigungsanlagen. Bald lädt der Leutnant Oskar Ehlert alle drei in sein Elternhaus ein. So lernt Hermann Martha kennen, am 16. Mai 1880 heiraten sie. Aber schon 1881 ist das junge Paar nach Berlin versetzt. Martha erlebt nicht aus nächster Nähe, wie ihre Kusine Charlotte Friedländer sich mit dem Kunsthistoriker Dr. Georg Dehio aus Reval verbindet. Zur Hochzeit am 18. April 1884 aber sind die Behns sehr wahrscheinlich eingeladen. Wenn sie nicht nach Königsberg gefahren sein sollten, könnte nur meine Großmutter Edith daran schuld sein: sie war am 18. Januar 1884 in Berlin geboren worden. Sie selbst erweckt aber in ihren „Familienplaudereien“ den Eindruck, als seien sie und ihr drei Jahre älterer Bruder die „Spielkinder“ ihrer Eltern gewesen und hätten sie nie an ihren Vergnügungen gehindert. 
Die Wirtschaftskrise 1885 beendet jäh das heitere Königsberger Familienleben. Der Getreidekaufmanns Otto Ehlert muss kurz vor Weihnachten 1885 Konkurs anmelden. Sein Bankrott gilt als unehrenhaft, er wird inhaftiert und nimmt sich am 14. März 1886 im Gefängnis das Leben. Der Zusammenbruch des gastfreien Hauses und des guten Rufs macht Königsberg für Frau und Kinder unerträglich.
Wohin soll Ottilie Ehlert ohne Beruf und Vermögen ziehen? Ihr jüngster Bruder Karl ist in Breslau Regierungsrat bei der Reichsbahn, seine Schwester Johanna führt ihm den Haushalt. Dort wäre sie völlig überflüssig. Ihre Tochter Martha lebt 1886 in Thorn, ihr Mann war jetzt Hauptmann und Kompagniechef der 4. Komp. im pommerschen Pion. Batl. Nr. 2, aber Mutter und Tochter verstanden sich nicht gut. Die andern Kinder kamen noch weniger in Frage. Der Pionieroffizier Oskar, dessen Luxusschulden zum Teil für den Konkurs seines Vaters verantwortlich gemacht werden, heiratete eine reiche Witwe, die immer in Berlin lebte, und arbeitete dann in verschiedenen Garnisonen. Hugo ging im März 1886 nach La Paz in Bolivien. Anna war 1886 erst 14 Jahre alt. „Der Domprediger Kretschmann, mit Ottilie befreundet, erbot sich, die jüngste Tochter Anna bis zu ihrem bevorstehenden Gouvernantenexamen bei sich aufzunehmen“1. Anna ging dann als Kindermädchen mit einer Gesandtenfamilie von Gagern nach London. Walter war damals erst 12, für ihn musste sie noch sorgen. „Clara kam zu Friedländers, um ihre Studien zum Zeichenlehrerinnenexamen an der Akademie fortzusetzen.“ Auch für Ottilie war das Haus der älteren Schwester der gegebene Aufenthalt. „Da sich durch den Familienzuwachs von Ehlerts, voraussichtlich auf mehrere Jahre, die Wohnung als zu klein erwies, mieteten die Eltern eine Wohnung in der Tragheimer Kirchenstraße von drei Zimmern, Cabinett + Balkon, außerdem 2 Mansardenzimmer für Ottilie und Clara und eine Fremdenstube.“ „Clara Ehlert machte im Juni ihr Examen, was aber nicht gut ausfiel und entschloss sich, eine Stelle in der Schweiz zu suchen“ 2.
Ottilie bleibt im schwesterlichen Haushalt als zusätzliche und willkommene Hilfe. Laura leidet, wie es scheint, an chronischer Bronchitis. Sobald es in der Stadt warm wird, geht sie in die Sommerfrische nach Wisdehnen, auf ein Gut von Verwandten. Da die Vorlesungen länger anhalten, der Professor auch wissenschaftlich auf die Nähe zur Bibliothek angewiesen ist, führt Ottilie ihrem Schwager den Stadthaushalt. Täglich zum Mittagessen kommt der zweite Professor der Familie, Georg Dehio, Lauras und Ludwigs Schwiegersohn. Nur im Juli kommen diese drei auch aufs Land. Im Frühherbst, wenn Friedländers zur Kur nach Bad Homburg fahren, bleibt Ottilie in Königsberg, um das älteste Kind von Dehios, den kleinen Georg, von der Amme zu entwöhnen. Dafür reist sie im übrigen Jahr manchmal zu ihrem Bruder nach Breslau oder zu ihrer Tochter Martha nach Köln.
1890 erhält Georg Dehio einen Ruf nach Straßburg und verlässt mit Frau und Kindern Königsberg.
Als der gebürtige Königsberger Ludwig  Friedländer 1892 emeritiert wird, folgt er mit Frau und Schwägerin seiner Tochter Charlotte und dem Schwiegersohn Dehio ins Elsass. Aber wahrscheinlich ändert sich das Leben im Professorenhaushalt mit der Emeritierung. Ludwig ist viel mehr daheim, Kinder leben nicht mehr im Hause. So kommt 1894 Clara aus der Schweiz zurück, um zusammen mit ihrer Mutter Ottilie einen eigenen Haushalt zu gründen. Die beiden Frauen leben in Freudenberg, Gernsbach, Freiburg und zuletzt Waldkirch, quasi immer im Ferienort der Familie Friedländer/Dehio und wohl auch teilweise auf deren Kosten. Auch Ida verließ 1893 Königsberg. Sie zog mit ihrer Tochter nach Stettin. Damit endet die Geschichte von Marthas Königsberg.











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