ME

Am Sonntag erwarte ich meine Nachbarn zum Imbiss. Aus diesem Grunde putze ich mein Silber und mangele meine Tischtücher. Dabei stoße ich auf das Zeichen ME. Auf den merkwürdig spitzen Löffeln in jener Zwischengröße, die für Mehlspeisen gedacht war, finde ich es ebenso wie auf Kaffeelöffeln aus reinem Silber, und auf den Servietten mit dem lebensechten Farnmuster, die so groß sind, dass man sie im Nacken zubinden kann, ist es in weißem Plattstich mit rotem Saum eingestickt. Auf dem Damasttischtuch mit den zarten Glyzinienblüten prangt es: ME, d. h. Martha Ehlert. Es ist der Name einer meiner vier Urgroßmütter.

An zwei Stellen in ihren Jugenderinnerungen traut Ida Guthzeit ihrem eigenen Stil nicht. Eigentlich ist sie eine mutige, selbstbewusste Familienforscherin. Sie ist 1834 im damaligen Kreis Soldau in Preußen geboren, unmittelbar an der Grenze zu Russland. Sie hat 1854 in Königsberg den Leutnant und Gutsbesitzer Henné geheiratet, sie hat drei Kinder geboren, ihr Mann hat Bankrott anmelden müssen und ist jung gestorben, sie hat mit Unterstützung ihrer Verwandten ihre Kinder großgezogen. Sie hat erfahren, wie wichtig Familie ist. 1896 ist sie 63 Jahre alt. Sie weiß, dass sie die letzte ist, die noch Zugang zur Vergangenheit der Guthzeits vor dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, zur Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches hat. Ida möchte ihr Wissen der kommenden Generation weitergeben.

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