Die Mering-Saga

So gut wie andere Familien sind die Merings allemale, aber schwieriger doch. Alle von Merings, die mir bekannt wurden, sind mit uns verwandt. Mering ist der Name meines Urgroßvaters Peter von Mering.

Der früheste Vorfahr Mering stammte aus Coesfeld. Es gibt bis heute einen Hof Mehring bei Flamersheim im Kreis Coesfeld, der seit dem 12. Jahrhundert ein Meierhof des Klosters St. Mauritius in Münster war. In Coesfeld ist im 15. und 16. Jahrhundert der Familienname Merinck unter den Bürgern sehr häufig.

Hynrich Merinck aus Coesfeld erwarb 1553 in Köln das Bürgerrecht. Natürlich war er Katholik als Bürger einer katholischen Stadt. Nach seinem Testament von 1579 war er zuerst mit Catharina Lindlar verheiratet, der Witwe von Herman Mueträtzer oder Muetroyde. Herman Muetroyde war Kaufmann in Köln gewesen, Hynrich Merinck vermutlich sein Prokurist oder Kompagnon. Catharina war älter als Hynrich. Sie hatte schon vier halberwachsene Kinder, die Hynrich aufziehen half. Erst als Catharina starb, konnte Hynrich eine junge Frau, Christina von Monheim, heiraten, mit der er mindestens vier eigene Kinder erzielte. 1579, als er, schwer krank, sein Testament schrieb, waren diese Kinder noch klein. Hynrich aber besaß ein großes Vermögen und wollte vor Zeugen klar stellen, dass er seine Stiefkinder schon abgefunden hatte und dass sein jetziger Wohlstand allein seinen leiblichen Kindern zugute kommen sollte. Christina sollte seine Testamentsverwalterin und die Erzieherin der Kinder sein. Nach den Kölner Genealogen wurde Hynrich wieder gesund und lebte noch bis 1587. Dann starb er und kurz darauf auch Christina. Die Waisen Merinck wurden von Vormündern in der Schaafengasse großgezogen.

Unser nächster Vorfahr hieß Hendrich und wurde wieder Kaufmann und Bürger in Köln. Seine 13 Kinder von zwei Ehefrauen sind zwischen 1600 und 1631 in Köln getauft. Ich besitze Quittungen von ihm für empfangene Zinsen auf ein Kapital bei der Reformierten Gemeinde in Düsseldorf, da unterschreibt er 1614, 1615 und 1616 "Hendrich Merinck".

Ein Sohn von ihm, 1620 geboren, ist der erste Domherr der Familie, Henrich Meringh. Sein jüngerer Bruder, unser nächster Vorfahr, wurde Arzt, promoviert 1662 in Rom, Professor für Medizin an der Kölner Universität zwischen 1667 und 1689. Dieses Professors Sohn aus erster Ehe, geboren 1667, ist der zweite Domherr der Familie, er nennt sich Heinrich von Mering. Ein Sohn aus zweiter Ehe, getauft am 10. September 1685 in der Kirche Maria im Pesch, ist unser nächster Vorfahr. Er heißt Johann Friedrich von Mering, ist zuerst Hauptmann im kaiserlichen Heer, dann kurkölnischer Rheinzöllner in Andernach. Johann Friedrich hatte von seiner Frau Maria Gertrude Rübsam drei Söhne. Der älteste und der jüngste verheirateten sich in Andernach. Der älteste Henrich Matthias studierte Jura, heiratete reich und bekleidete Hofämter beim Erzbischof von Köln. Er ist der Vorfahr des Professors Josef von Mering in Halle und damit der von Merings in Amerika geworden, der Stamm des jüngsten starb aus.

Der mittlere, geboren 1733, unser Vorfahr Franz Caspar von Mering, wurde wie sein Vater kaiserlicher Soldat. Er kämpfte als Offizier der Kaiserin Elisabeth 1761 bei Torgau gegen Friedrich den Großen. Aber Franz Caspar hatte kein Glück. Vielleicht wurde er schwer verletzt und kränkelte dann, vielleicht war er nicht tüchtig. Er brachte es nur bis zum Oberleutnant, erhielt früh seinen Abschied. Und er heiratete offenbar unterhalb des Rahmens seiner Brüder. Die Verbindung zu ihnen scheint abgerissen. Er starb schon 1779 in Mainz. Sein Sohn, unser Vorfahr Franz Joseph Caspar, geboren 1774, wurde mit fünfzehn Jahren Vollwaise und war offenbar ohne Vermögen. Für ein armes adliges Kind waren die Zeiten schlecht. Mainz gehörte seit 1792 zur revolutionären Republik Frankreich. Vermutlich floh Franz Joseph Caspar und wurde so jung wie möglich Soldat, angeblich bei den preußischen Husaren.

Sein Leben verlief abenteuerlich. 1799 ist er in der Pfalz und heiratet vor dem republikanischen Zivilbeamten in Kirchheimbolanden eine Pächterstochter lutherischer Konfession, Anna Maria Ziemer. Franz Joseph Caspar ist der "Bürger Mering". Das ist die erste standesamtlich geschlossene Ehe in unserer Familie und von den frommen Verwandten nie als solche anerkannt. Mit Anna Maria betreibt Franz Joseph Caspar eine Kneipe.

Nach der Geburt des ersten Kindes zieht das Paar nach Dänemark, wo es fünf weitere Kinder in der katholischen Kirche der Österreichischen Gesandtschaft taufen lässt. 1813, nach der Völkerschlacht bei Leipzig, müssen alle Ausländer sofort Dänemark verlassen. Die Merings kehren zurück nach Mainz. Das Land am Rhein steht unter bayrischer Verwaltung. Arbeitslosigkeit und Hunger herrschen. 1815 findet der arme Familienvater Arbeit als "Chaussee-Bereiter", als berittener Verkehrspolizist. 100 Franken im Monat sind nicht viel, aber es kommen noch "Denunziantenprämien" dazu, wenn er viele Fuhrleute anzeigt. Er wird an die Landstraße von Speyer nach Oggersheim versetzt und zieht mit seiner Familie nach Speyer um. Seine Frau erwartet das 8. Kind. Franz Joseph Caspar ist sehr eifrig als Kontrolleur der Fuhrleute, er erhält hohe Prämien, er macht sich unbeliebt. Er wird reingelegt oder wird einmal schwach: er lässt sich bestechen. Seine Frau stirbt "vor Gram", wie er selbst schreibt, seine Kinder kommen ins Armenhaus in Frankenthal. Er sitzt seit August 1816 im Gefängnis in Speyer. Im März 1817 findet in Zweibrücken vor dem Appellationsgerichtshof sein Verfahren statt. Er wird zu 200 Franken Strafe und einer Stunde Pranger verurteilt. Am Pranger hat er jedoch nicht gestanden. Er erreicht eine Begnadigung, vielleicht mit Hilfe seines Vetters, des ehemaligen Hofgerichtspräsidenten von Köln, Fritz von Mering. Von da an verliert sich unseres Vorfahren Spur. Seine Kinder geben in ihren Urkunden an, dass sie nicht wissen, wo ihr Vater sich aufhält.

Der älteste Sohn dieses Mannes, Franz Joseph Mering, tritt aus dem Armenhaus ins preußische Heer ein. Er wird Hoboist im 29. Infanterie-Regiment, das in Saarlouis stationiert ist. Dort lernt er eine arme Näherin lothringischer Abstammung kennen, Catherine Henry. Ihr Vater war napoleonischer Offizier. Auch er ist verschollen. Die beiden heiraten 1828, ziehen 1831 mit dem Regiment nach Koblenz, 1842 bekommt Franz Joseph als Abfindung die Stelle eines Grenzaufsehers in Herongen an der neuen Zollgrenze zu den Niederlanden. 1843 wird dort unser Urgroßvater Peter geboren. Catharina stirbt 1855 in Walbeck, bevor endlich 1856 Franz Joseph als Steuer-Aufseher nach Koblenz zurückkehren kann. Peter macht dort eine Maurerlehre, bevor er sich zum Stuckateur qualifiziert. Weil seine Frau, die evangelische Glaserstochter Philippine Allendorf darauf besteht, werden seine Kinder alle evangelisch erzogen. Und weil er sich 1893 das Adelspatent vom Königlichen Heroldsamt in Berlin bestätigen lässt, sind wir die einzigen evangelischen von Merings aus diesem Stamm!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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