Schon meine Großmutter Edith Behn, verheiratete Liebert, hat sich für Familiengeschichte interessiert. Sie hat „Familienplaudereien“ verfasst und sie hat gerne von den Vorfahren erzählt. Sie hatte eine Begabung für Anekdoten.
So habe ich schon früh gehört, dass die Mutter ihres Großvaters Dr. Adolph Gustav Behn eine geborene Hirschberger war, Anna Sophia Hirschberger aus Thorn. Sie wurde die Frau von Johann Gottfried Behn, dem Kreiswundarzt von Bromberg.
Für meine Großmutter waren Thorn und Bromberg noch wohlbekannte Städte, sie hatte als Kind mit ihren Eltern eine Zeit lang in Thorn gelebt und sie lebte nachher mit ihrem Mann und ihren Töchtern in Posen – all diese Städte gehörten zum Deutschen Reich der Kaiserzeit.
Für mich, die ich nach 1945 aufwuchs, waren das Städte in Polen. Als ich nach 1994 begann, Familiengeschichte zu erforschen, habe ich mich ganz besonders für unsere Vorfahren in Torun interessiert, habe in den Archiven der Mormonen die Kirchenbücher der Thorner Neustadt gelesen und bin dann mit meinem Mann nach Torun gereist, um im Archivum Panstwowe nach Nachrichten über die Kupferschmiede und Rotgerber, meine Vorfahren dort, zu suchen.
Dabei musste ich feststellen: ein Hirschberger tauchte erst 1761 in Thorn auf. Und dieser Kupferschmied Samuel Gottlieb Hirschberger war aus Pirna in Sachsen gebürtig. Das hat meine Großmutter nicht gewusst!
Man sollte denken, Pirna sei leichter zu erreichen als Thorn. Aber für den Familienforscher gilt das nur bedingt: Die Kirchenbücher von Pirna kann man nicht bequem bei den Mormonen in Hamburg lesen, man muss lesen lassen – und das heißt warten, in meinem Fall vergeblich. So blieb Anna Sophias Vater, der Kupferschmied aus Pirna, der 1762 in die alte deutschsprachige Familie in der Thorner Neustadt eingeheiratet hatte, ein Desiderat, wie man sagen könnte. Lange Jahre wusste ich nichts über ihn.
In Sommer 2012 meldete sich nach siebenjähriger Pause ein Forscher, der über die Familie Kammer in Schlesien arbeitet. Wir korrespondierten ein wenig und zum Schluss fragte ich ihn, ob er, der er doch in Pirna zu Hause sei, mir den Weg zum Kirchenbuch Pirna öffnen könne. Ich sei auf der Suche nach Samuel Gottlieb Hirschberger.
Noch am selben Tag rief er mich an, veranlasste mich, eine bestimmte Seite im Web anzuwählen und was sah ich: ein Foto vom Geburtsbrief meines Vorfahren Samuel Gottlieb Hirschberger, ausgestellt von Bürgermeister und Rat der Königl. Chur-Fürstl. Sächßischen Stadt Pirna. Das gerade im Schloss neu eröffnete Stadtarchiv Pirna warb mit dieser schön verzierten Urkunde um Aufmerksamkeit.
Ja, wenn das meine Großmutter gewusst hätte!
Prächtiger Geburtsbrief aus Pirna
für Samuel Gottlieb Hirschberger
Wir bürgermeister und Rath der Königl. Chur-Fürstl.en Sächßischen Stadt Pirna … entbiethen allen und jeden, so hierdurch angelanget werden möchten, … Gruß und Wunsch alles friedlich und gesegneten Wohlergehens zuvor, nebst diesem anfügende, daß Uns Samuel Gottlieb Hirschberger zuvernehmen gegeben, wie er seiner ehe- und ehrlichen Geburth wegen ein beglaubtes Attest nötig habe…
..zu Geburths Zeugen zwey ehrliche und untadelhafte Männer und Bürgere hiesigen Orths, nahmentlich: Meister Johann George Grohmann, Weißbäcker und Meister: Samuel Baumfelder, Gürtler persönlich dargestellet worden….
… stehende bekannt und auch gesaget, es seye wahr und ihnen wohl bewusst, würde auch aus denen Kirchen Büchern hiesigen Orths, /: vermöge des Uns zugekommenen Extrakts :/ alsofort darzuthun seyn, dass obgedachten Samuel Gottlieb Hirschberger, von seinem Vater Meister: Johann Christian Hirschberger, Bürgere und Gürtlere alhier, und Mutter, Frau erdmuth Sophien, Meister: Johann Samuel Pomsels, Bürgers und des Handwerks derer Nadler hierselbst OberEltestens, ältestens Tochter erster Ehe, nachdem ermelte beyden Eheleute vorhero den 25. September 1730 allhier öffentlich ehe- und ehrlich zusammen getrauet, nachgehends aus einem reinen, keuschen und unbefleckten ehebette, von rechter freyen teuzschen Nation und Niemandem mit Leibigenschaft unterthänig, recht, Ächt, ehe- und ehrlich erzeuget, gebohren und den 5.ten October: 1733 durch Herrn Mag: Johann Stephan Schmelzern, Archidiaconum allhier, H. Johann Gottfried Albrechten, hoch Reichsgräffl. Flemmingischen Lust- und Kunstgärtnern zu Hermsdorff, und Frau Annen Sophien, obermelten Meister: Johann George Grohmanns Eheweib, in allhiesiger Stadt-Kirchen aus der Heil. Taufe gehoben worden.