Zuerst veröffentlicht in: ANDERNACHER ANNALEN 4, 2001/2002, hrsg. vom Historischen Verein andernach e.V., S. 77
Ein großes Vermögen zieht immer die Aufmerksamkeit der Menschen an. Reichtum wird leicht mit Bedeutung verwechselt. Außerdem weckt Reichtum Begehren. So ist von dem Vermögen von Friedrich Joseph Caspar von Mering unter den späteren Familienangehörigen im Rheinland noch lange die Rede gewesen. Ich allerdings habe erst durch meine Familienforschung davon erfahren.
Worin bestand das Vermögen von Friedrich Joseph Caspar von Mering? In einem Stadtgrundstück zwischen Korn- und Pfeffergasse - der heutigen Meringgasse - in Andernach, mit einem Wohnhaus, Nebengebäuden und zwei Gärten, in zwei Hofgütern in der Andernacher Gemarkung, in allerhand Wald und Hecken und in 100 000 Gulden species Kölnisch. Diesen Besitz hatte der am 13. April 1752 in Andernach Geborene zum Teil von seinen Eltern Henrich Matthias von Mering und Maria Margaretha, geb. von Kalt, geerbt, zum Teil als Gerichtspräsident in Köln, als Wirklicher Regierungsrat und Geheimer Rat selbst erworben und zum Teil als Mitgift seiner Frau Elisabeth Freiin von Requile von Hohrheim und Walderbach erheiratet.
Fritz von Mering, wie er sich selbst nennt, blickte auch persönlich durchaus mit Aufmerksamkeit auf sein Vermögen. Diesen Eindruck gewinne ich aus seinem Testament. Er macht sich sehr sorgfältige Gedanken, was aus dem schönen irdischen Schatz nach seinem Tode werden soll.
Denn - er hat keine Erben. Das sagt man so. Sicher hat er Erben, das Gesetz sorgt dafür, daß es immer eine Erbfolge gibt. Aber er hat keine leiblichen Kinder. Es ist niemand da, dem er mit Freuden sein Vermögen überlassen kann, mit ein paar Auflagen vielleicht, ein paar Messen fürs Seelenheil, ein paar Legaten für Bedürftige, aber eben sonst mit Freude: hier hast du es, ich kann es ja nicht mitnehmen. Nein, so jemand ist nicht da.
Fritz von Mering hat sich schon mit diesem Problem beschäftigt, als er sich endlich am 15. Dezember 1823 hinsetzt und eigenhändig schreibt, unterschreibt und datiert: Der Erbe meines Besitzes soll das Andernacher Hospital sein. Er macht aus seinem Vermögen eine Stiftung.
Noch hundert Jahre später wird die Verwandtschaft sich aufregen! Auch an Versuchen, das Testament anzufechten, hat es nicht gefehlt. Karl Wind, der Archivar von Andernach um 1955, schreibt, daß die Prozesse der Familienmitglieder von Mering mit dem Andernacher Stiftshospital bis zum Kölner Appellationsgericht gingen. Franz Kreuter, ein Heimatforscher in Köln um 1850, schreibt in seiner Schrift "Wanderungen durch das mittelalterliche Köln" über Fritz von Mering: "Sein reiches Vermögen entzog er seinen rechtmäßigen Erben und bestimmte es durch seinen letzten Willen für wohlthätige Stiftungen. Zur Errichtung eines Bürgerhospitals in der Stadt Andernach wies er die Summe von 100,000 Gulden, nebst seinen beiden Hofgütern und übrigen Gütern an; sein großes Wohnhaus mit Zubehör in derselben Stadt, ein alter von Mering'scher Rittersitz, bestimmte er zur Elementarschule; zugleich vermachte er dem Hospitale zu Koblenz ein bedeutendes Kapital und stiftete zur Erleichterung des Pfarrers von Andernach eine Vicarie für das Dorf Namedy. Wenn wir auch diese wohlthätige Handlung nicht tadeln können, so bleiben doch seines Bruders Kinder hierdurch umso mehr hart verletzt, indem der Schenkgeber durch allzugroße Förderung der himmlischen Dinge zuviel den toten Händen überließ und dadurch die Lebenden, seine eigene Familie, vergaß. Herrschte doch dieser nicht beneidenswerte Frommsinn, wie ein Familienerbe von jeher und schon vor länger als 200 Jahren bei diesem Geschlechte, wovon jedes Glied fast ohne Ausnahme eine große Summe für kirchliche und andere wohlthätige Anstalten verschrieb."
Der Erblasser Fritz hatte tatsächlich Verwandte und gar nicht so ferne: den Neffen Fritz Everhard und die Nichte Elisabeth Jodoca, seines einzigen Bruders Johann Everhard Oswalds Kinder, dann zwei Vettern, Franz Joseph Caspar und Clemens Friedrich, und von denen wieder Neffen und Nichten 2. Grades, Blutsverwandte also, die zum Teil den Namen von Mering trugen. Sicher hatten sie sich Hoffnungen auf das Erbe gemacht.
Der Heimatforscher Franz Kreuter ist ein Kollege des Dr. phil. h.c. Fritz Everhard von Mering. Dessen Anklage an den Patenonkel spiegelt die zitierte Passage wieder. Kreuter hat das Testament nicht gesehen. Er erzählt Gehörtes nach. Im Testament kommt Koblenz nicht vor, ebensowenig die Vicarie von Namedy. Auch die Deutung, daß der Testator aus übergroßer Sorge um sein Seelenheil die Familie hintansetzte, hat im Text des Testamentes keinen Hintergrund. Wahrscheinlich hat der klagende Neffe seinem Forscherfreund die Motivation des alten Mannes so dargestellt. Ich habe das Testament abgeschrieben und wieder und wieder gelesen: es ist ein Dokument der Einsamkeit.
Fritz von Mering wurde in eine konservative Familie hineingeboren. Da waren Onkel und Tanten, da waren Schwestern und Brüder. Man lebte in Andernach, man hatte Verbindungen zum Erzbistum Köln, zum Bistum Trier. Man war katholisch. Die Verwandten: von Mering, Rübsam, Artz, Wolff, Kalt gehörten zu den Honoratioren der Stadt. Ob ihr Haus wirklich ein alter Rittersitz war, konnte ich noch nicht herausfinden. Die Familien, in denen Fritz aufwuchs, waren Patrizier, der Tradition ihrer Herkunft verpflichtet.
Konservativ zu sein, hat den Vorteil der Ordnung: der Mensch weiß, wie alles sein muß, und spart dadurch manchen Umweg. Konservativ zu sein, hat den Nachteil der Unbeweglichkeit: wenn sich etwas ändert, steht der Mensch hilflos da. Der alte Fritz von Mering schaut traurig auf eine ihm fremd gewordene Welt. Die Revolution hat alles zerbrochen. Was ist ihm geblieben außer seinem Vermögen? Wenigstens das muß er bewahren. "Da nun die Hergabe eines Vermögens zu Gott gefälligen und dem Menschen nützlichen Stiftungen das Eigentum derjenigen ist, welche es geben, und es in Natur un allen Rechten gegündet war und ist, daß nicht damit von Nicht Eigentümern nach Willkür verfahren werden darf, sondern daß der Will und Zweck (so viel es möglich ist) des Gebers erfüllt und mehr Rücksicht genommen werden muß: solchen Zweck zu erreichen." Fritz von Mering will sein Vermögen sichern. Er will sich darauf verlassen können, daß sein Wille noch lange nach seinem Tode geachtet wird. Dazu kann er nur eine Institution verpflichten, nicht einen einzelnen Menschen - ganz abgesehen davon, daß unter seinen Blutsverwandten niemand ist, dem er in dieser Hinsicht trauen kann.
Ganz gewiß kann er seinem Neffen Fritz Everhard nicht trauen. "Als derselbe sich, noch im Jünglingsalter, in den Besitz eines bedeutenden Vermögens gesetzt fand, begann, bei seiner Unerfahrenheit, verbunden mit Gutmütigkeit und übermäßiger Freigebigkeit, eine recht traurige, in späteren Jahren tief von ihm beklagte Periode seines Lebens." So lese ich in der "Allgemeinen Deutschen Biographie" von 1885. J. J. Merlo, ein Historiker auf heimatlichem Gebiet wie Fritz Everhard von Mering auch, bemüht sich, dem Kollegen gerecht zu werden. Mit dem Testament des Onkels und anderen Quellen in Koblenz und Köln zusammengenommen aber heißt das auf Deutsch: 1823, drei Jahre nach dem Tod seines Vaters Everhard Oswald von Mering, hat der damals 24jährige den Hauptteil seines Erbes schon durchgebracht. 1826 muß der alte Onkel befürchten, daß sogar auf das Legat aus seiner Stiftung Gläubiger des Neffen ihre Hand legen könnten und verfügt deswegen: "Da ich durch die Legate für meinen Vetter Fritz von Mering und meine Nichte Lisette von Mering verehelichte von Kirzelle nur alleine bezwecke dieselben zu unterstützen und Ihnen nötiges zum Lebensunterhalt zu sichern, so verordne ich ferner, daß denselben aus ihrem zugewiesenen Quantum in monatlichen Raten verabreicht und falls gegen alles Vermuten und Erwarten auf diese Aliments Gelder von creditoren ein Arrest gelegt werden wollte und könnte denselben von der Hospitals Verwaltung eine Reichung in natura desgleichen auch Lebensmittel und sonstigen Bedürfnissen für die legirte Summe in natura angeschafft werden ~ Wenn mein Vetter Fritz von Mering mit Hinterlassung einer Wittwe sterben sollte, so soll diese (solang solche Wittwe bleibt) das jährliche Legat auf die nämliche Art beziehen."
Diese Verordnung hat nichts Gehässiges. Aber sie ist hart wie die Lage des Neffen. Nach Karl Wind "lebte" er "meist in bedrängten Verhältnissen", und das trotz der 800 Franken jährlich, die offenbar nach Rechnung des Onkels für einen Lebensunterhalt ausreichten. Daß dieser Onkel 1823 in diesem Neffen Fritz Everhard nicht den geeigneten Verwalter seines Vermögens sieht, leuchtet ein.
Frauen würden nach damaligem Recht wohl sowieso nicht als Haupterbinnen in Frage kommen, da ihre Kinder einem andern Mannesstamm angehören. Doch scheint Elisabeth Jodoca von Mering, verheiratete von Kerzelli, noch besonders dem Onkel als unzuverlässig gegolten zu haben. Vielleicht fand er die 1814 geschlossene Ehe mit einem russischen Rittmeister zu exzentrisch. Doch scheint auch der Bruder Fritz Everhard gegen sie Vorbehalte zu haben, wenn er schreibt: "Meine Eltern hatten stets Kinder gezeugt, wovon drei beim Leben erhalten wurden, nämlich meine beiden Schwestern Friderica und Elisa und ich; erstere ein tugendsames und sehr vernünftiges Mädchen starb 1817; letztere heiratete einen russischen Stabsrittmeister Joseph Ivan von Kerzelli", womit er ihr ein etwas zweifelhaftes Denkmal setzt, wohl ohne Absicht.
Wenn Fritz von Mering bei den Kindern seines verstorbenen Bruders keinen geeigneten Erben fand, so blieben die Vettern. Aber da sah es, von Fritz aus gesehen, so übel aus, daß er sie gar nicht erwähnen mochte. Zwar ist möglich, daß er diese Vettern ganz aus den Augen verloren hatte, also nicht wußte, ob sie noch lebten, wie mein Urgroßonkel Heinrich in seinem Brief an das Königliche Heroldsamt in Berlin vermutet, aber so ganz glaube ich das nicht. Im letzten Anhang des Testamentes trifft der Stifter eine schwerwiegende Verfügung: "Wenn Arme von der Von Meringischen Familie sich um Unterstützung melden, so soll denselben vorzüglich aus dem Zinsertrage der legierten Kapitalien solche zu Teil werden." Ich schließe aus diesem einen Satz, daß er von den "Armen der Von Meringischen Familie" etwas hatte läuten hören. Ja, vielleicht mehr als nur das: Wahrscheinlich ist der verzweifelte Brief um Hilfe, den mein Vorfahr Franz Joseph Caspar von Mering 1816 aus dem Gefängnis in Speyer an den "Hochgeehrtesten Herrn Vetter" schrieb, an Fritz gerichtet und auch in seine Hände gelangt. Vielleicht wußte der Stifter, daß die Kinder dieses Vetters im Armenhaus in Frankenthal gesessen hatten? Jedenfalls hat er der Hospitalverwaltung Andernach mit diesem einen Satz eine mühevolle Verpflichtung aufgehalst.
Mit meiner Schwägerin Heide, der Schwester meines Mannes, habe ich mich über Stiftungen unterhalten. Sie gehört selbst einer Stiftungsverwaltung an. Auch hier hatte die Erblasserin durchaus nahe Verwandte, aber sie traute ihnen nicht zu, daß sie mit einem großen Vermögen fertig werden würden. Heide sagte mir auch, daß die Unterstützung von Einzelpersonen für eine Stiftungsverwaltung sehr zeitaufwendig sei. Leichter seien Institutionen zu fördern. Das verstehe ich gut nach meinen Erfahrungen mit dem Deutschen Weihnachtsbazar in Istanbul. Die Spende oder die Stiftung ist das eine, ohne das Wohltätigkeit nicht zustande kommt. Das andere sind die Menschen, die die Arbeit der Verteilung des Geldes oder der Versorgung der Armen mit Sachmitteln übernehmen. Kapital und Arbeit sind nötig. Eine merkwürdige Rolle spielt der Arme, dem nicht nur das Geld fehlt, sondern auch die Aktivität oder das Organisationstalent, so daß er versorgt werden muß wie ein kleines Kind.
Solch ein Armer ist Franz Joseph Caspar von Mering, im Jahr 1823 ein Mann von 49 Jahren, mein Vorfahr, abgedankter Soldat, entlassener Chausseebereuter, vorbestraft, vermutlich Alkoholiker. Seine 1799 vor dem Civilbeamten in Kirchheimbolanden geschlossene Ehe ohne kirchlichen Segen ist in den Augen von Fritz von Mering eine illegitime Beziehung. Im Landesarchiv in Koblenz befindet sich eine Notiz über die unsolide Lebensführung meines Vorfahren, die zwar erst 1831 verfaßt ist, aber sicher das Urteil von Fritz von Mering berücksichtigt. Über Franz wüßte ich aus seinen letzten Jahren, wo er oft ohne festen Wohnsitz war, überhaupt nichts, wenn nicht die Stiftungsverwaltung ein Auge hätte auf ihn haben müssen wegen der "Alimente". Karl Wind ist sichtlich geschockt von diesem von Mering und berichtet recht summarisch. Vielleicht streifte ihn aber auch der Gedanke, daß, wenn die 1823 lebende junge Generation von Mering dem Erblasser Fritz mehr Zuneigung eingeflößt hätte, es zu der Stiftung gar nicht gekommen wäre.
Nicht ganz so arm wie Franz ist der andere Vetter, Clemens Friedrich von Mering, aber dem alten Fritz von Mering vielleicht noch widerlicher: ein Priester, der in der Zeit der Revolution den Priesterrock ausgezogen hat, ein Clubist in Niederbreisig, Bürgermeister einer republikanischen Gemeindevertretung, Vater von zwei unehelichen Kindern. Auch ihm ist nicht zu trauen.
Wie hat das nur alles so kommen können! Fritz' Vater und dessen Brüder waren doch so angesehene Andernacher Bürger, gute Katholiken, zuverlässig in Gelddingen, passend verheiratet - bis auf Franz Caspar allerdings, den österreichischen Werbeoffizier, der entzog sich früh dem Einfluß der Verwandten. Ja, damit fing alles an. Die Revolution! Die Revolution in der eignen Familie, in der Stadt und in der Gesellschaft ist ein Mangel an Frömmigkeit. "Die Tat vielleicht mehrerer Jahrhunderter hat es erwiesen, daß nämlich das Hospital Gebäude bestimmt und benutzt worden ist zum Aufenthalt armer Bürger = Wittwen = Waisen = Kranker und anderen Notfällen. ~ Seit der traurigen Revolutionszeiten und Gesinnungen ist aber leider (wie Jeder weiß) wider diesen Zweck der Stifter gehandelt worden; die Einkünfte dieses Hospitals sind zwar zum Teil an Arme Verwendet worden, allein den mehrsten Teil verschlangen ansehnliche Gehälter und beträchtliche Armenrechnungen. Hätte man dafür zur Zeit Holz und Nahrung gereicht und dazu solche Armen durch fleißigen moralischen und Religionsunterricht auf den nach Christi Weisheit glücklich und gesund machenden Heilsweg geführt, so würden weniger Kranke und überhaupt weniger allhier durch Wirtshaus Müßiggänge arm gewordene Armen sein." Mit seinem Testament, an dem er drei Jahre arbeitet, will Fritz von Mering diesem unheilvollen Zeitgeist entgegenwirken, "eigenhändig", wie er immer wieder schreibt. Und dabei ist er ganz allein.
Alles ist abstrakt: die Fälle "wie sie wollen", die er nicht voraussehen kann, die Männer in der Kommission, in der Stiftungsverwaltung, die er nicht kennt, die Armen im Hospital, mit denen er nichts zu tun haben will, die Waisen, von denen er zwar möchte, daß sie nicht mehr in Familien gegeben werden sollen - wohl weil er hört, daß die Kinder vernachlässigt oder ausgenutzt werden - die ihm aber doch so fern stehen, daß er nicht weiß, was ihnen im Heim alles blüht. Er sorgt sich, daß die Armen neben ihren Schulstunden "müßig" sein könnten, kann aber keine Vorschläge zu ihrer Beschäftigung machen. Und seine ganze Hilflosigkeit kommt zutage, wenn er immer wieder auf die "beiden Personen", eine männlich, eine weiblich, zurückkommt, die im Hospital wohnen und für die Armen kochen, sie beaufsichtigen und erziehen sollen. Was für "Personen" sollen das sein? Alibipersonen, Unpersonen. Wenn er versucht, ihre Pflichten und Aufgaben zu "verordnen", kommt er schließlich bei utopischen Menschen an: "daher sei es der Verwaltung eine der sorgfältigsten Angelegenheit, nur solche Personen zu diesem wichtigen Geschäfte zu wählen, welche gottesfürchtig und von sittlichem Wandel sind, und Menschenliebe besitzen, daher mehr nach dem ewigen Lohne, den sie durch getreue Ausübung dieser Liebeswerke gewinnen streben, als den zeitlichen Vorteil im Auge haben." Nachdem er diesen beiden Angestellten der Stiftungsverwaltung die ganze ökonomische und praktische Arbeit, das Gebet mit den Insassen und das ständige Leben im Armenhospital aufgelastet hat, eine sehr verständliche Forderung! Ich fürchte, diese beiden "Personen" hat es so nie gegeben.
Der einzige lebendige Mensch im Leben dieses alten einsamen Mannes ist der Knabenlehrer Mathias Tusch. Wahrscheinlich hat Fritz ihn kennengelernt, nachdem er "verordnet" hatte, daß die "Unterschulen" aus dem Hospitalsgebäude heraus in sein eigenes, nach seinem Tode leerstehendes Haus umziehen sollten und er sich sorgte, ob sein Haus wohl als Schule geeignet sei. Denn im Hauptteil des Testamentes, dem ersten, heißt es noch: "meine Haupt Absicht bei dieser Hergabe meiner Wohnung zu den gesagten Schulen ist = daß das Hospital Von den Schulen befreit und dadurch wieder zum Ur Stiftungs Entzwecke = nämlich zur besseren Verpflegung der armen und Kranken kommen soll." Erst im Zweiten Anhang taucht der Name des Knabenlehrers auf und es ist, als fließe da eine andere Tinte durch die Feder. Mathias Tusch darf von den zwei zu bauenden Lehrerwohnungen eine auswählen, er soll sich des Blumengartens des alten Mannes erfreuen dürfen, für sein Gehalt und sogar für seine Rente wird gesorgt, ein deutliches Zeichen dafür, daß es nicht mehr nur darum geht, "das Hospital von den Schulen zu befreien". Mathias Tusch hat auch eine Frau. Und für den Fall, daß er stirbt, soll auch die Witwe Rente und gesunde Wohnung vom Hospital erhalten.
Gott segne den Mathias Tusch. Er hat dem einsamen Stifter noch ein wenig Zuneigung entlockt. Natürlich kam er als Alleinerbe nie in Frage. Ein Schulmeister! So etwas wie ein Diener! Aber Fritz hat ihn gekannt und seine Wünsche zu erraten gesucht und ihm gerne Gutes gegönnt, nicht nur aus Prinzip und damit das Geld unter Kontrolle bleibt. Er traut ihm zu, "daß wenn mein Vetter in Köln Fritz von Mering an einigen Pflanzen oder Zwiebeln Vergnügen finden sollte, solche selbem gerne würden mitgeteilet werden." Ja, so sollte das Verhältnis eines Erben zum Erblasser und zu den Miterben eigentlich sein!
Der tatsächliche Erbe hingegen ist eine juristische Person, das Hospital. "Mein Vetter, meine Nichte sowie der Herr Schullehrer Tusch und dessen Eheliebste in dem jedesmaligen Empfange des Legats erklären, daß sie solches als ein von Gott gegebenes Almosen empfangen und annehmen." Das ist zwar aus gutem Grund geschrieben, damit die Legate steuerfrei sind und nicht pfändbar. Aber es ist doch etwas Wahres dran: Die mit Legaten Bedachten sind Almosenempfänger. Fritz von Mering trennt sich nicht von seinem Vermögen. Er verfügt auch nach seinem Tode genau über alle Einzelheiten. Das Hospital soll sich nicht bereichern, aber es soll auch kein einziges der Kapitalien oder Grundstücke veräußern dürfen.
Fritz von Mering war fromm. Nur in der Religion liegt die Medizin für die an der Revolution krankende Welt. Man soll Messen für ihn lesen, aber die können still gelesen werden, wichtig ist, daß die Kinder und Erwachsenen im deutschen Meßgesang unterrichtet, die Armen im Hospital täglich zum Morgen- und Abendgebet versammelt werden und daß der Priester nach der Messe mit der Gemeinde das Gebet "Glaube, Liebe, Hoffnung", ein Gebet, das Fritz selbst verfaßt hat, "mit Andacht, das ist mit Erhebung des Gemütes zu Gott" betet. Der Geistliche in der Familien-Fundation am Kreuzberg bei Wipperfürth, der für ihn und für seinen Großonkel die Messe lesen wird, soll leben "als ein wahrer Geistlicher das ist = als ein mit Gott täglich wandelnder Geistes Mann", und er soll "durch ein nach dem Heiligen Evangelis eingerichtetes tätiges frommes, das zeitliche verachtendes Leben sich die Liebe und Achtung seiner von Gott Ihm anvertrauten Schafen ....... gewinnen". Sowohl dieser als auch der Geistliche am Hospital soll jährlich einmal aus Fritz' Testament der versammelten Gemeinde vorlesen. Man soll des Stifters gedenken und seinen Willen immer wieder studieren.
Am 5. März 1826 beendet Fritz sein Testament und fügt die Kapitalienliste hinzu. Am 23. März stirbt er. Am 26. teilen zwei Nachbarn, ein Schuster und ein Gefangenenwärter, dem Bürgermeister das Ableben des alten Mannes mit. Hat man den Toten erst nach drei Tagen gefunden? Hatte man auf die Ankunft des Neffen gewartet, der dann nicht kam? Schon am 29. März 1826 wird das Testament den Wolff'schen Urkunden in Koblenz einverleibt.