Die Behns seien "Inselfriesen" gewesen, die in Ostpreußen angesiedelt wurden. Vom Klang des Namens her ist das möglich. Soll das auch heißen, sie waren Mennoniten? Die Saga der Behns ist besonders versponnen, meine Großmutter Edith Behn hat an ihr gestrickt und die hatte, wie meine Mutter zu sagen pflegte, "eine blühende Phantasie".
Die Behns fühlten sich laut meiner Großmutter als Ostpreußen, aber Großmutters Vater war in Trier geboren und der Großvater in Bromberg. Der von Felix Behn aufgefundene Urgroßvater Kasimir Behn soll am 29. 6. 1758 in Preußisch Friedland Maria Elisabeth Barthel geheiratet haben. Weiter ist über ihn nichts bekannt. Das dazu gehörige Kirchenbuch habe ich noch nicht gefunden, ein Beruf ist nicht angegeben. Ein Sohn aus dieser Ehe, Johann Gottfried Behn, hat um 1797 die Thornerin Anna Sophia Hirschberger geheiratet. Dies Paar ist in Bromberg gut bezeugt. Johann Gottfried war seit 1795 Stadtchirurg in Bromberg, er könnte vorher Feldscher gewesen sein. Sein erster Sohn starb als Kind, aber zwei weitere Söhne wurden erwachsen. Der ältere, Hermann Julius, studierte Medizin und wurde Nachfolger des Vaters als Kreiswundarzt, ja sogar Medizinalrat, der jüngere, 1807 geboren, ist unser Vorfahr. Er hieß Adolph Gustav Behn, ging zum Militär und wurde auch dort Arzt, sogar Königlich Preußischer Generalarzt. Er war in verschiedenen Garnisonen tätig: 1845 in Aachen, 1848 in Köln, 1852 in Trier, 1857 in Mainz, seit 1861 in Posen. So kam es, dass unser Urgroßvater Hermann Behn 1852 in Trier geboren wurde. Sein Vater hatte ein Nervenleiden, vielleicht auch eine schwere Sucht, er starb 1866 in einer privaten Nervenheilanstalt in Brehna bei Halle/Saale. Bald darauf starb auch seine Frau in Potsdam. Die älteste Tochter des Generalarztes, die schöne Anna Behn, kümmerte sich um die Brüder, besonders den jüngsten, der beim Tod der Mutter erst ein Jahr alt war. Anna war mit dem Astronomen Hermann Romberg verheiratet und lebte später mit ihm in Petersburg. Das Leben dieses Ehepaares ist ein eigener Roman. Im ersten Weltkrieg sollen die beiden Söhne und die beiden Schwiegersöhne der schönen Anna an vier verschiedenen Fronten gekämpft haben; einer auf deutscher Seite, einer auf russischer, einer im finnischen Heer und einer im französischen. Anna und ihr Mann sind aber nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin gestorben. Meine Mutter hat wenigstens ihre Großtante Anna noch gekannt.
Unserer Mutter Großvater, Hermann Behn, war ein sehr erfolgreicher Pionier-Offizier. Jubelnd sei er 18-jährig aus der Kadettenanstalt in den Krieg gegen Frankreich gezogen, den Krieg 1870/71, der mit der Kaiserkrönung in Versailles endete. Danach hatte er das Glück, ein Offizier im Frieden zu sein. Mit dieser Rolle kam er gut zu Recht. Er baute wohl meistens an den Fortifikationen des Deutschen Reiches: in Königsberg, Stettin und Thorn, in Köln und Deutz, in Glogau, Neiße und zuletzt in Metz. Es war ihm nicht langweilig, er war gesellig, anscheinend freundschaftsfähig. Das machte ihn beliebt. So kam er nach seiner Pensionierung 1906 als Generalmajor an den "Invalidendank", eine Organisation zur Unterstützung von alten Soldaten. Bei seiner Reaktivierung im 1. Weltkrieg wurde er ein letztes Mal befördert. Als Generalleutnant schied er schließlich aus, durfte sich Exzellenz nennen lassen. Was er von dem großen Krieg, der das Kaiserreich beendete, gehalten hat, weiß ich nicht. Seine Tochter, meine Großmutter Edith Behn, hat immer geglaubt, ihr Vater, ganz wie übrigens auch ihr Mann Paul Liebert, habe stets seine Pflicht getan. Das und nur das war es, was man von einem Soldaten erwarten durfte.
Mein Großonkel Felix Behn, der einzige Bruder meiner Großmutter, starb als Offizier im ersten Weltkrieg durch eine Fliegerbombe. Er war ein Familienforscher wie ich, allerdings hauptsächlich mit einem praktischen Ziel: er wäre so gerne adlig gewesen und hoffte immer nachweisen zu können, dass die Behns eigentlich "von Boehns" sind. Er hatte sich sogar schon einen Siegelring mit dem Wappen der von Boehns machen lassen, den ich noch habe. Die abenteuerliche Behn-Saga, die bei seinen unsystematischen Nachforschungen entstand, hat die von Boehns sehr erbost. Mir nützt sie nichts. Hoffentlich ist wenigstens der Spitzenahn Kasimir Behn echt! Dann wäre das Heiratsdatum 29. 6. 1758 in Preußisch Friedland das älteste Datum der Behnfamilie. Es bedeutet, dass die Behns schon im späteren Westpreußen waren, bevor es 1793 preußisch wurde!
Viel weiter zurück in die Geschichte führt die Vorfahrenlinie von Anna Sophia Hirschberger aus Thorn, der Frau des Kreisarztes Behn in Bromberg. Ihr Vater stammte aus Pirna in Sachsen, aber ihre Mutter war in 5. Generation deutsche evangelische Bürgerin von Thorn-Neustadt. Ein von mir durch das Kirchenbuch und das Zunftbuch erforschter Spitzenahn ist der 1685 in der Neustadt von Thorn/Torun mit einer Anna Wachschlager verheiratete Hans Deutzschmann, ein Rotgerbermeister. Ein anderer Spitzenahn ist Peter Wentzel, der Kupferhammerschmied in Leibitz (Lubicz), Bürger von Thorn seit 1670. Er heiratet 1685 Maria Strewig, eine Fleischerstochter aus Thorn. Die Frauenfamilien Wachschlager (Waxschlager) und Strewig (Streibig) sind schon am Ende des Mittelalters (15. Jht.) in Thorn ansässig gewesen. Dieser Mutterstamm der Behns in Thorn ist ein echter Handwerkerstamm. Hammer- und Kupferschmiede sowie Rotgerber geben ihm sein Gepräge und das Zunftbuch der Rotgerber in der Thorner Neustadt, die "Rothgerber Meisterquartale 1626 bis 1855", gibt der Familiengeschichte spannende Kontur.