Zuerst veröffentlicht in EKKEHARD Familien- und regionalgeschichtliche Forschungen, Hallische Familienforscher "EKKEHARD" e.V., Neue Folge 16 (2009), Heft 4 u. Neue Folge 17 (2010), Heft 1, Dazu als Berichtigung "Auf dem Holzwege" in Neue Folge 18 (2010), Heft 2
Johann Bartholomäus Krebs in Ahlsdorf
Muss denn jeder Familienforscher alles über seine Ahnen selbst herausfinden? So fragen sich die modernen Genealogen. Daraus entstehen Vereine, Forscherkontakte und Mailinglisten. Man reicht sich Namen, Daten, Urkunden und Akten weiter, man diskutiert die Funde. Der Vorteil liegt klar auf der Hand. Warum nur tu ich mich damit so schwer?
Da ist zum Beispiel mein Vorfahr Johann Bartholomäus Krebs. Zwei andere Nachkommen von ihm und ein Regionalforscher haben schon über ihn gearbeitet: Dr. Karl Christian Schlüter in Dessau1, Fritz Schepe in der Lutherstadt Eisleben2 und Heinz Görig in Bonn, später Erfstadt3. Von Dr. Schlüter liegt sogar ein erzählender Forschungsbericht vor. Der Regionalforscher Fritz Schepe hat mir 2003 das Maschinenmanuskript zugänglich gemacht, darin befanden sich Kirchenbuchauszüge von Heinz Görig. Ist damit meine Neugier gestillt? Keineswegs, es gibt noch genug Forschungsbedarf! Eher fühle ich mich entmutigt, weil ich das, was meine forschenden Vorgänger nicht fanden, immer noch nicht bieten kann.
Ist es aber nicht jammerschade, dass die gefundenen Ergebnisse in der Schublade bleiben, nur weil sie lückenhaft sind? Nur Mut! Johann Bartholomäus Krebs ist es wohl wert, dass auch in Zukunft noch jüngere Forscher sich mit ihm beschäftigen.
„Ein so großer sozialer Aufstieg, wie ihn Johann Bartholomäus Krebs genommen hat, ist im 18. Jahrhundert sicherlich nicht gewöhnlich gewesen,“ beginnt Dr. Schlüter seine Darstellung. „Zwar entstammte er einer angesehenen und wohl auch materiell gutsituierten Löbejüner Bürgerfamilie. Aber Löbejün war nur ein kleines Ackerbürgerstädtchen, in dem auch die Oberschicht und die Handwerker in der Hauptsache von der Feldarbeit mit eigner Hand lebten.“
Diesem Eindruck kann ich nur zustimmen. Dieser Johann Bartholomäus Krebs hat etwas Faszinierendes an sich. So modern wirkt seine Unruhe, so sicher sein Aufstiegswille. Dabei hat er vermutlich einen gepuderten Zopf getragen: ein Mann des 18. Jahrhunderts.
Dr. Schlüter fährt fort: „Krebs, geboren 12.11.17004, war bei seiner Heirat 17255 und auch danach noch ‚Becker, Bürger und Brauer’ in Löbejün, also ein Angehöriger der angestammten Gesellschaftsschicht. 1733 aber pachtete er das Rittergut Krosigk, wurde also ein Unternehmer. Von nun an widmete er sich nur noch der Landwirtschaft, indem er zunächst immer größere Pachtungen übernahm. Offenbar verstand er es, alle Möglichkeiten zu beherrschen und auszunutzen, die die zu seiner Zeit sich zu einer praktischen Wissenschaft entwickelnde Landwirtschaft ihm bot. Er muss auf diesem Gebiet ein guter Fachmann gewesen sein und mit großem Gewinn gewirtschaftet haben. In der Gutspachtung Großweißandt war er noch erfolgreicher als in Krosigk, so dass er um 1744 die große königliche Domäne Wettin und zeitweise sogar zusätzlich noch das dortige Rittergut pachten konnte. Seine Erfolge hierbei wurden 1746 gekrönt durch die Ernennung zum Königlich-Preußischen Oberamtmann.
Mögen er und seine erste Frau auch ein Startkapital ererbt haben (und auch seine zweite Frau brachte Vermögen mit in die Ehe), und mag er auch gute Fachkenntnisse besessen haben – ohne Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Energie hätte er diesen Aufstieg nicht machen können. Wir dürfen uns darum Krebs wohl mit Fug und Recht als eine Herrschernatur vorstellen. Kaum wird er davor zurückgeschreckt sein, die zu jener Zeit bestehenden feudalen Abhängigkeitsverhältnisse auszubeuten (wenn diese auch im Saalkreis und in Anhalt sehr viel geringer als etwa in Brandenburg oder Mecklenburg waren). Auch die Belange seiner Familie scheint er, in seiner zweiten Ehe anscheinend zusammen mit seiner Frau, recht souverän bestimmt zu haben. So hat er seine sämtlichen Töchter frühzeitig an den, vermutlich von ihm ausgesuchten, Mann gebracht (nichts allerdings deutet darauf hin, dass ihnen dies etwa zum Schaden gewesen wäre!). Wie sein Verhältnis zu seinen Söhnen gestaltet war, lässt sich aus den Kirchenbüchern nicht entnehmen.“
Genau so habe ich auch empfunden, als ich die Daten unseres Vorfahren betrachtete. Dr. Schlüter hat diesen Text vor 1986 in der DDR geschrieben. Er ist sich sicher bewusst, dass er bürgerliche Tugenden an seinem Vorfahren lobt. Genau so schätze auch ich, in Westdeutschland aufgewachsen und von den Idealen der jungen Bundesrepublik geprägt, unsern Vorfahren ein: gesund, gewandt, dominierend, vorteilsbewusst und mit Familiensinn. Dr. Schlüter bringt dafür in dem mir zugänglichen Text keine stringenten Beweise. Er beruft sich nur auf die Kirchenbücher, denen die Abfolge der Pachtverhältnisse und die verwandtschaftlichen Beziehungen entnommen werden können. Kirchenbuchdaten enthalten keine Charakterisierungen. Die Ähnlichkeit unserer Einschätzung von Johann Bartholomäus Krebs beruht nicht auf den Daten, sie beruht auf unserer ähnlichen Lebenserfahrung: Menschen, die an verschiedenen Orten immer wieder Erfolg haben, sind meist so. Dabei fällt mir ein, dass Friedrich der Große solche Männer gut leiden konnte. Wenn Bürgerliche den Adligen, die recht bequem geworden waren, zeigten, wie man Ämter und Güter zuerst zum eignen, aber dann auch zum Wohl der Steuerkassen gut verwaltete, gefiel das dem König.
Dr. Schlüter fährt fort: „Falsch jedoch wäre wohl, in Krebs nun einen Despoten zu sehen. Dagegen sprechen viele Beobachtungen. Vielmehr muss er ein sympathischer und umgänglicher Mann gewesen sein, dem es gelang, ständig und leicht Verbindungen anzuknüpfen, die ihm Vorteil brachten.“
Dr. Karl Christian Schlüter habe ich leider nicht mehr kennen gelernt. Als ich 2003 seinen Text erhielt, war er schon verstorben6. Aber es ist sicher in seinem Sinne, dass seine Sätze gedruckt werden. Einen Teil seiner Kirchenbuchdaten verdankt Dr. Schlüter der Korrespondenz mit Heinz Görig. Mit ihm habe ich 2003 noch telefonieren können. Da war er 94 Jahre alt, lebte nicht mehr in Bonn, sondern in Erfstadt und sagte mir, er habe seine Arbeiten dem Braunschweiger Stadtarchiv übergeben. Selbst könne er wegen seines Augenleidens keine Auskünfte mehr erteilen.
Ja, möchte ich nun fortfahren, da ist es doch kein Wunder, dass jüngere Genealogen auf digitale Veröffentlichung dringen! So viele im Gedächtnis bewahrte, handschriftliche oder Maschinen geschriebene Erkenntnisse gehen wieder verloren! Das ist doch schade! Dabei ist zu vermuten, dass im Saalkreis noch weitere Nachfahren von Johann Bartholomäus Krebs leben, die sich für seine Biographie interessieren. Er hatte aus seinen beiden Ehen zehn Kinder, von denen ihn sechs überlebten.
Aus der ersten Ehe mit Maria Elisabeth Thürmer, geschlossen in Kösseln am 24.04.1725:
1. Sophia Elisabeth Krebs, geb. 24.12.1725 in Löbejün, verh. 08.02.1742 in Könnern mit Pastor Joh. Fried. Eisfeld, gest. 26.01.1793 in Nelben7.
2. Christian Gottlieb Krebs, geb. 25.12.1728 Löbejün, 1755 Kgl. Preuß. Amtmann, heiratete 1) 25.11.1755 in Osmünde b. Halle Joh.a Doroth. Elis. Hentzin, verw. Schaaf und übernahm deren Gastwirtschaft in Gröbers bei Halle. Sie starb 22.05.1758. Er verh. 2) 11.02.1759 mit Maria Marg. Hase (Witwe).
3. Henriette Rosamunda Krebs, geb. 21.04.1735 Krosigk, verh. 07.05.1754 Wettin mit Diaconus an S. Nicolai Wettin Joh. Heinrich Hoffmann (1722 – 1807). Sie gest. nach 1811 (verm. 1814).
4. Friederica Christiana Krebs, geb. 05.07.1738 in Krosigk, verh. 04.06.1754 in Wettin mit Amtsverwalter in Schielo und Abberode u. Freisasse in Gräfenstuhl bei Mansfeld Carl Friedrich Heydenreich, Sohn des „weyl. hochfürstl Anhalt-Bärenburgisch reitenden Försters Joh. George Heydenreich“, der dann 1763 und 1769 Amtsverwalter in Helbra und 1771 in Benndorf war. 1773 wurde er als Nachfolger von J. B. K. Gutsherr in Ahlsdorf, gest.vor 1807. Sie starb am 16.10.1807 in Ahlsdorf.
Aus der zweiten Ehe mit Johanna Eleonora Elisabeth Harßleben, geschlossen in Oranienbaum bei Dessau am 11.11.1742:
5. Johann Carl Christian Krebs, geb. 18.01.1745 in Wettin, war 1764 Gutsverwalter in Fernsdorf bei Köthen und 1770 – 1782 Kgl. Preuß. Administrator des Guts Domnitz bei Wettin, gest. 27.10.1806 in Mansfeld, 61 J., vormals Kgl. Oberamtmann zu Klostermansfeld, nachmals Bürger zu Mansfeld.
6. Augusta Christiana Krebs, geb. 19.03.1754 in Wettin, konfirmiert 1769 in Ahlsdorf, verh. 17.01.1771 in Ahlsdorf mit Amtsverwalter in Benndorf b. Eisleben Carl Friedrich Adami.
Dr. Schlüter ist ein Nachfahre des dritten Kindes, der Tochter Henriette Rosamunda, geb. auf dem „Hochadligen Throtaischen Rittergut“ Krosigk. Heinz Görig und ich sind Nachkommen der ältesten Tochter Sophia Elisabeth, die noch in Löbejün geboren wurde. Die gemeinsame Mutter beider Töchter ist die erste Frau von Johann Bartholomäus: Maria Elisabeth Thürmer. Sie starb am 31.01.1742 auf dem „freyherrlichen“ Gut Großweißand bei Köthen.
Fritz Schepe ist kein Familienforscher, er ist Heimatkundler. In Ahlsdorf geboren und aufgewachsen, hat er, wie er in seiner „Chronik von Ahlsdorf“ bezeugt, nie die Bindung an das Dorf verloren. Den größten Teil seines Lebens hat er aber in Eisleben verbracht. Im Eisleber Historischen Archiv befindet sich jetzt seine umfangreiche Sammlung zur Ahlsdorfer Geschichte, die seine Frau dankenswerter Weise nach seinem Tod im Jahr 2006 dorthin gebracht hat.
Dr. Schlüter ist öfter nach Ahlsdorf gereist und hat seinerseits vielerlei Kenntnisse über Ahlsdorf gesammelt. Unser gemeinsamer Vorfahr Johann Bartholomäus Krebs hat nämlich 1755 das Freigut Ahlsdorf von den Erben des Christian August Thomasius erworben.
Dr. Schlüter schreibt: „Johann Barthol. Krebs hat sein Gut … unmittelbar von der Familie Thomasius gekauft und zwar im Jahre 1755. Diese Jahreszahl stimmt mit den Angaben in den Kirchenbüchern überein, wenn dort auch der Kauf selbst nicht erwähnt wird. Im Kb Wettin wird er selbst 1755 zuletzt genannt: am 19. Mai als Pate seines Enkels und unseres Vorfahren Friedrich Bartholomäus Hoffmann, und im November anlässlich des Aufgebots seines ältesten Sohnes, jetzt aber immer noch (von der Hand seines Schwiegersohnes Hoffmann!) als ‚Oberamtmann allhier zu Wettin’ und ohne Hinweis auf Ahlsdorf. Ich selbst erhielt diesen Hinweis erst durch die Pateneintragung von 1757 im Kb Osmünde.
Im Kb Ahlsdorf jedoch fand ich die erste Eintragung seines Namens dann bereits unter dem 20. August 1755, wo er als Pate mit ‚Königl. Preuß. Oberamtmann zu Wettin und Gerichtsherr hier auf Ahlsdorf’ bezeichnet ist. Er hatte zu diesem Zeitpunkt also das Gut schon gekauft, war aber im November noch Oberamtmann in Wettin, vermutlich demnach auch noch der Pächter der Domäne.
Als Krebs das Gut kaufte, war es offensichtlich verpachtet, und er konnte die Bewirtschaftung daher noch nicht selbst übernehmen. Denn an jenem 20.8.1755 ist er Pate gewesen bei einem Sohn des ‚Amtsverwalters Johann Gottlob Ilmer, jetzigen Pachtinhabers des hiesigen herrsch. Gerichts und Freyguts’. Und in gleicher Eigenschaft fand ich Ilmer noch am 20.1.1756 im Kb verzeichnet. 1760 war Ilmer dann aber ‚Pächter in Wimmelburg’ (in der Nähe von Ahlsdorf).“
Dieser Abschnitt zeigt die gründliche Arbeitsweise Dr. Schlüters und gleichzeitig tritt die Zielstrebigkeit J.B. Krebsens hervor. Natürlich war es nicht einfach, das Freigut zu kaufen. Zwar waren die Besitzverhältnisse klar, aber es war verpachtet und außerdem musste Krebs damit belehnt werden.
Über das Freigut Ahlsdorf heißt es bei Schlüter: „In den Urkunden wird das Ahlsdorfer Gut als ‚Gerichts-, Lehn- und Freygut’ und J.B. Krebs als ‚Lehn-, Erb- und Gerichtsherr’ bezeichnet. So war Krebs zumindest in diesem kleinen Bereich auch im Gerichtswesen ein Nachfolger des großen Juristen Christian Thomasius. Von diesem heißt es8, dass er als Gerichtsherr hier das Recht hatte, ‚ein Halss Eisen in seinem freyen Lehnhoffe auffzurichten oder daselbst ein Gefängnis bauen zu lassen’, d.h. der Gerichtsherr hatte nur die niedere Gerichtsbarkeit inne…. Das Dorf hat, wie die anderen Grunddörfer Hergisdorf, Ziegelrode und Kreisfeld, von ältester Zeit her zum Urbesitz der Mansfelder Grafen gehört. Das gräfliche, seit 1780 königlich-preußische Amt Klostermansfeld hatte daher die Gerichtsbarkeit. Wenn das Gut trotzdem die Untergerichte besaß, so vermute ich deswegen, weil diese ursprünglich wohl zum etwas westlich in den Bergen gelegenen Dippelsdorf gehörten, das etwa im 14. Jahrhundert wüst geworden ist9. Seine Bewohner zogen nach Ahlsdorf. Zu Krebsens Zeiten waren aber noch die Kirchenruine und ein Brunnen, vielleicht auch noch eine Brücke (‚Diebesbrücke’) dort. Anscheinend wurde das dortige Gut, möglicherweise unter Verlust der Obergerichte, mit dem Freigut Ahlsdorf vereinigt. Und darum lesen wir auch, dass er ‚Erb- und Gerichtsherr des Dippelsdorfschen Gerichtes’ gewesen ist, obwohl es dies Dorf (das ursprünglich Theobaldesdorf hieß) gar nicht mehr gab.“
Über den Wechsel unseres Vorfahren vom Domänenpächter zum Gutsbesitzer macht sich Dr. Schlüter Gedanken:
„Dass mit diesem Wechsel sein unmittelbares öffentliches Ansehen gehoben wurde, bezweifle ich, denn als Oberamtmann in Wettin hatte er eine Stellung von hohem gesellschaftlichem Rang. Der Grund für den Wechsel mag gewesen sein, dass der preußische König damals die Pachtforderungen für die Domäne stark erhöhte. Es mag aber auch sein, dass Krebs einfach danach strebte, auf eigenem Grund und Boden zu wirtschaften. Oder aber, dass das Bewusstsein, ‚Gutsbesitzer’ zu sein, sein Selbstwertgefühl befriedigte. Jedenfalls ist er damit auf der Klassenskala noch ein weiteres Stück aufwärts gerückt: ‚Vom Bäckergesellen zum Gutsbesitzer’ könnte man darum seinen Lebenslauf überschreiben. Und immerhin, der Titel ‚Königlich-Preußischer Oberamtmann’ blieb ihm erhalten, auch nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst, und er hat ihn bis an sein Lebensende geführt.“
Zum berühmten Vorbesitzer des Freigutes, Christian Thomasius, zitiert Dr. Schlüter die „Wanderungen durch die Grafschaft Mansfeld“ von Erich Neuß: „Am 22. Juni 1719 hatte dieser bedeutende Gelehrte und Professor an der Universität Halle das Gut für 13 000 Taler von Amtmann Eller gekauft, nicht um selber darauf Landwirtschaft zu betreiben, sondern um die Altersversorgung seiner Frau und derjenigen Kinder, die unverehelicht blieben, gesichert zu wissen. Sein zweiter Sohn Christian August bewirtschaftete es. Thomasius selbst nahm gelegentlich Sommeraufenthalt in dem anmutig gelegenen Dorf, mit dessen Bewohnern ihn ein herzliches Verhältnis verband. Die Kirche besitzt noch heute eine Bibel mit der Inschrift: ‚Diese Bibel verehrte aus gutem Herzen der Kirche zu Ahlsdorf Frau Auguste Christiane Thomasius, geb. Heilandin, in Halle, d. 16. Nov. 1723’ Thomasius starb 1728. 1755 verkauften die Erben des Gutes für 11700 Taler an den Oberamtmann Krebs.“
Erich Neuß hält also für ausgemacht, dass der Professor Thomasius das Gut als Kapitalanlage für Frau und Kinder kaufte. Diesen Grund könnte man auch bei J.B. Krebs vermuten. Mochte die Domäne die ehrenvollere Stellung bieten, im Falle seines Todes hätten Frau und Kinder sie verlassen müssen. Auf dem Gut hingegen hatten sie Heimatrecht. Mit 55 Jahren fühlte sich Krebs bewogen vorzusorgen. Mochte er früher Risiken eingegangen sein, nun wurde er bedächtig. Die unsicheren politischen Verhältnisse kurz vor Beginn des Siebenjährigen Krieges mögen auch ein Motiv gewesen sein. War die Domäne nicht in 1. Linie verpflichtet, das preußische Heer zu versorgen? Und was, wenn Friedrich der Große den Krieg verloren hätte – was ja zeitweilig an seidenem Faden hing? Johann Bartholomäus Krebs war kein leichtsinniger Mann. Dem hätte sicher auch Dr. Schlüter zugestimmt.
Als Domänenverwalter hat Johann Bartholomäus Krebs auch vielerlei Ärgernisse gehabt. Das belegen zwei Akten, die sich im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Dienstgebäude Wernigerode finden. Die eine, LHASA, MD, Rep. D c Wettin, Nr. 189 enthält zwei Beschwerdebriefe unseres Vorfahren an den Amtsschosser von Wettin, dass die Bauern von Neutz die schlechtesten Garben als Garbenzins liefern, die das Korn, dass sie eigentlich enthalten sollen, beim Dreschen gar nicht hergeben. Auf seine Ermahnungen zur Nachlieferung erhält er nur leere Versprechungen. Deswegen wendet er sich an den Amtsschosser um Hilfe. Diese Briefe tragen die Originalunterschrift unseres Vorfahren vom 4. Januar und vom 1. Juni 1752: eine klare, schnörkellose Hand.
Die zweite Akte LHASA, MD, Rep. D c Wettin, Nr. 155 enthält eine Klage des Gerichtsdieners Drießener, dass J.B.Krebs zuviel Holz geschlagen und damit die Domäne geschädigt habe. J.B. Krebs verteidigt sich dagegen mit sorgfältigen Auflistungen seines Holzeinschlags. Mein Eindruck ist, dass er als Eigentümer des Freiguts weder um den Garbenzins noch um den Holzeinschlag mehr streiten muss. Er selbst wird zwar an den Amtsschosser Zins zahlen, aber er wird nicht mehr der Mittelsmann zwischen Bauern und Regierung sein. Und den Holzeinschlag hat er selbst zu verantworten, es ist sein eigener Wald.
Das Freigut Ahlsdorf war etwas Besonderes. Offensichtlich haben ja auch Thomasius und seine Frau es sehr geschätzt. Es hatte seit langem ein Eigentümer darauf gewohnt, kein Pächter. Die Pertinenzien eines Gutes waren die Gebäude und Werkstätten, Mühlen, die Schäferei, die Scheunen, Äcker und der Wald, sowie die zum Gute gehörenden „Untertanen“. Vieh, Saatgut, Möbel und Arbeitsgeräte gehörten dem Pächter persönlich, er brachte sie mit oder erwarb sie nach der Übernahme. Leicht ist zu vermuten, dass ein Pächter auf Werkzeug und Vieh und auf den baren Gewinn ein sorgfältiges Auge hatte, aber die Gebäude vernachlässigte, das Verhältnis zu den arbeitenden Menschen nicht wichtig nahm. Anders beim Eigentümer. Er dachte in längeren Zeiträumen, auch die äußere Schönheit des Besitzes war ihm wichtig, die Gesundheit der Untertanen die Gewähr für eine gute Zukunft10. Bei Fritz Reuter in dem Roman „Ut mine Stromtid“ kann man nachlesen, dass von ihren Herren gut gepflegte Dörfer arbeitswillige und freundliche Bewohner haben. So lebte es sich vermutlich angenehmer und vertrauensvoller in Ahlsdorf als auf der Domäne in Wettin. Und hier erst konnte sich eine Eigenschaft unseres Vorfahren richtig ausleben, die ihn auszeichnete. Dr. Schlüter schreibt: „Und wir sehen überall, dass er einen sehr ausgeprägten Familiensinn besaß. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Patenschaften hin und her, sondern es ist auch offensichtlich, dass er sich um seine Verwandten vielfach gekümmert hat, ihnen half, ihnen Stellen vermittelte und einige von ihnen auch selbst beschäftigte.“
Diese Beobachtung bezieht sich nicht auf die Herkunftsfamilien. Nach Heinz Görig hat unseres Vorfahren Mutter Anna Margaretha Striebecke geheißen und seine Großmutter väterlicherseits Anna Maria Edeling. Aber weder Krebs noch Striebecke oder Edeling tauchen in seinem Umfeld auf, oft dagegen die Familien Thurm oder Thürmer und Bennemann. Das sind Verwandte seiner ersten Frau. Ihre Eltern hießen Michael Thörmer und Anna Maria Bennemann in Oberplötz. Noch 1744 war J.B.Krebsens Schwiegermutter Anna Maria Thürmerin, geb. Bennemann, Patin in Nelben bei ihrer Urenkelin Maria Elisabeth Eisfeld – da war ihre Tochter, die Mutter der Pfarrfrau, schon verstorben. Auf dem Freigut in Ahlsdorf heißt der erste Verwalter unseres Vorfahren Johann Heinrich Bader. Er ist verheiratet mit einer Bennemann. Und der zweite Verwalter ab 1761 ist Benedictus Thürmer „gebürtig von Oberplötz“. Nimmt man noch die Ahlsdorfer Familien Thurm dazu, z.B. den Königlich Preußischen Salpetersieder Johann Valentin Thurm, bei dessen Tochter die junge Maria Elisabeth Eisfeld Patin ist, und den Gerichtsschöppen Georg Thurm, dann hat man den Eindruck, Krebs ist dieser verschwägerten Familien wegen überhaupt erst nach Ahlsdorf gekommen.
Die große wirtschaftliche und organisatorische Erfahrung, die Krebs auf fremdem Besitz erworben hatte, wollte er nun auf Ahlsdorf anwenden. Doch musste er sich gleich am Anfang in schweren Zeiten bewähren. „Kaum war Johann Bartholomäus Krebs als Gutsbesitzer in Ahlsdorf sesshaft geworden,“ schreibt Dr. Schlüter, „da brach am 28. August 1756 der Siebenjährige Krieg aus. Er wütete zunächst nur in Sachsen und Böhmen, aber 1757 erlitt Preußen schwere Niederlagen, und Ende des Jahres rückten von Südwestdeutschland her die Reichsarmee und die Franzosen gegen den Saalkreis vor. Eisleben, Ahlsdorf und Polleben gehörten nicht zum Saalkreis, sondern zur halbsouveränen Grafschaft Mansfeld, jedoch waren die politischen Verhältnisse … hier damals sehr eigenartig und verworren. Die Staatsangehörigkeit wechselte von Dorf zu Dorf; so waren Eisleben und Polleben sächsisch, Ahlsdorf aber preußisch. Die fremden Soldaten werden wohl kaum in der Lage gewesen sein zu unterscheiden, in welchem Ort befreundete ‚Sachsen’ oder feindliche ‚Preußen’ wohnten! So mögen die gegen Preußen vorrückenden Heere hier im Mansfeldischen wohl weniger hart gehaust haben als im eindeutig preußischen Saalkreis. … Immerhin: Die französische Armee kam nach Ahlsdorf und am 2. November 1757 besetzte die Infanterie des ‚Tischerschen Chors’ den Ort. Darüber berichtet der damalige Pfarrer im Kirchenbuch, denn eine angesetzte Taufe konnte an diesem Tage nicht stattfinden. Die Einquartierung brachte ‚viel Beschwerden und Bedrückung’: in jedem Haus waren 12 Mann im Quartier, im Pfarrhaus ‚2 Capitains mit ihren Pferden und Bedienten’. … Doch schon am 3. November zogen die Franzosen wieder ab, nachdem die im benachbarten Hergisdorf untergebrachte Cavallerie des Korps in Ahlsdorf hinzugestoßen war. Sie wurden wohl dringend benötigt, denn bereits am 5. November 1757 fand südlich von Halle die schwere Schlacht bei Rossbach statt, in der Friedrich der Große seine vereinigten und zahlenmäßig weit überlegenen süddeutschen und französischen Feinde vernichtend schlug. Damit waren die fremden Soldaten vertrieben, aber sie kamen wieder, mehrfach, 1760 sogar für längere Zeit. Das Ahlsdorfer Kirchenbuch berichtet aber nichts über die Ereignisse des Krieges in diesen folgenden Jahren. Mehrfach aber wird bei den Taufen angegeben, dass die Väter Soldaten seien… Der Krieg endete am 15.2.1763 mit der Bestätigung des preußischen Besitzstandes.“ Es wird Frieden.
Dieses Jahr 1763 ist nun nicht nur politisch, sondern auch familiengeschichtlich bedeutsam. Das Ende des Krieges erleben auf dem Freigut Ahlsdorf neben J.B. Krebs und seiner zweiten Frau Johanna Eleonora Elisabeth ihre drei jüngsten Kinder: Johann Leberecht Krebs, geb. 29.01.1752 in Wettin, Augusta Christiana Krebs, geb. 19.03.1754 in Wettin und Johann Ernst Krebs, geb. 22.12.1756 in Polleben. Zusätzlich hält sich im April 1763 die älteste Enkeltochter von Johann Bartholomäus, die achtzehnjährige Maria Elisabeth Eisfeld, in Ahlsdorf auf. Ihre Eltern sind der Pfarrer von Nelben, Johann Friedrich Eisfeld, und seine Frau Sophia Elisabeth, geb. Krebs. Sie haben außer dieser einzigen Tochter noch zwei lebende Söhne, geboren 1747 und 1753, die zu der Zeit wohl Schüler der Latina in Halle sein dürften.
In diesem ersten Friedensjahr 1763 stirbt am 2. Juni der Pfarrer von Ahlsdorf Ludewig Gottlieb Schneider und am 19. September wird Andreas Valentin Leberecht Schmidt als neuer Pfarrer eingeführt. Dr. Schlüter bemerkt dazu: „J.B. Krebs ist vermutlich Patron der Ahlsdorfer Kirche gewesen und hat somit Einfluss auf die Berufung Schmidts nach Ahlsdorf gehabt. Er hat vermutlich auch dessen Heirat arrangiert. Seine Enkelin Maria Elisabeth Eisfeld (geb. 23.10.1744), die Tochter des Pastors Johann Friedrich Eisfeld in Nelben, hat sich schon im April 1763 bei ihrem Großvater in Ahlsdorf aufgehalten. Am 15.05.1764 wurde Pastor Schmidt mit ihr in Nelben getraut. Sie war 19, er 34 Jahre alt. So waren nun Gutshaus und Pfarrhaus in Ahlsdorf in einer Familie vereinigt.“ Ohne diesen Text zu kennen, hatte ich schon aus den Kirchenbuchdaten den gleichen Schluss gezogen. Ist das ein Zeichen unserer Verwandtschaft? Ach nein, es ist ein Zeichen gleicher Inkulturation. Wir selbst versuchen, in die Zukunft zu planen. Deswegen trauen wir das auch unserem Vorfahren zu. Stimmen muss es deswegen nicht!
So hat Dr. Schlüter selbst unter seinen Forschungsergebnissen notiert, dass der Patron der Ahlsdorfer Kirche nach 1780 der preußische König gewesen sei. Der aber war Rechtsnachfolger des Magdeburger Stifts, das wiederum Rechtsnachfolger der Mansfelder Grafen war. Der Besitzer des Freiguts Ahlsdorf war nicht der Kirchenpatron.
Trotzdem hatte Krebs als Nachbar und sicher auch Sponsor der Kirche ein Wort mitzureden bei der Pfarrerwahl. Und falls Johann Bartholomäus es liebte zu planen, hatte er hier die Gelegenheit. Pastor Schmidt war seit dem 16.03.1758 ordiniert, hatte aber in Eisleben nur die Stelle eines „Legaten Predigers“, also keine eigene Gemeinde. Falls Pfarrer Schneider schon länger krank war, kam Schmidt für Vertretungen in Frage. Der Oberamtmann konnte sich ein Bild von ihm machen und er konnte seiner Enkeltochter bereits im Frühling ermöglichen, den zukünftigen Pfarrer kennen zu lernen. Am Ende waren Gutshaus und Pfarrhaus in einer Familie vereinigt – das Ergebnis ist eindeutig. Man kann diese Einheit von Pfarrhaus und Gutshaus als Machtmonopol im Dorf betrachten, man kann es auch unter dem Gesichtspunkt von „guter Obrigkeit“ sehen. Wenn Pfarrherr und Gutsherr ihre Stellung nicht missbrauchen, sondern ausfüllen, entsteht Verhaltenssicherheit für die Bewohner des Dorfes.
Ganz einig sind sich übrigens J.B. Krebs und V.A.L. Schmidt nicht immer gewesen. Während die Patenschaften des Gutsherrn und seiner Familie immer mit offensichtlicher Billigung ins Kirchenbuch eingetragen sind, ist die Beerdigung des zwölfjährigen Sohnes von J.B. Krebs nicht ohne Kritik geblieben. Es heißt da:
1764
6. Dom XII. post Trin., den 9. Aug. gegen den Abend um 6 Uhr ist des Hochherschaftl. (?) Herrn Johann Bartholomäus Krebsens Königl. Preuß. OberAmtmanns und GerichtsHerrn allhier 4ter Sohn, Johann Leberecht an der rothen Ruhr gestorben. Sie haben den entseelten Leichnam tags darauf den 10. ejusd. des Abends in aller Stille und ohne Begleitung durch 4 Berg-Bursche zu derjenigen Gruft gegen den Gottesacker, welche sie in ihrem eigenen Garten Felde, den Stoll Garten genannt, machen und ausmauern laßen, zu seiner Ruhe versenken laßen. Wegen der stillen Beerdigung aber war das (?) Hochwürd. Consist. an mich worden …. (aufgebracht?)“
Die unleserliche Handschrift des Schwiegerenkels sagt mehr als alle Worte, wie unangenehm es Schmidt war, zwischen seine weltlichen und seine geistlichen Autoritäten zu geraten, zwischen Familie und Amt. Das stille, nächtliche Begräbnis war in der Zeit des „Sturm und Drangs“ aufgekommen, es war ein Protest gegen das zunehmend erstarrende kirchliche Zeremoniell. Die Mutter des Zwölfjährigen, seine erkrankten Geschwister sollten nicht gezwungen sein, stundenlange Reden neben dem Sarg des so jung Verstorbenen aushalten zu müssen. Persönlich hat Schmidt dafür wahrscheinlich Verständnis, aber als Amtsinhaber kann er es nicht gutheißen, da sich das „stille Begräbnis“ kaum zur Regelfeier eignet. Von daher gesehen ist es eine Anmaßung des Herrenhauses, gerade dann, wenn eine gottesdienstliche Handlung später nachgeholt wird. Ein solch aufwendiger doppelter Ritus ist für das durchschnittliche Gemeindeglied zu teuer.
Dr. Schlüter meint, dass es sich um ein Nachahmen adeliger Allüren handele, was die kirchlichen Obrigkeiten als Unsitte empfanden und bekämpften.
In der Erzählung: Ein Festessen in Polleben11 habe ich über mein Vorfahrenpaar, die Pfarrfamilie Schmidt/Eisfeld, ausführlich berichtet. Kenntnisse über die „gute Pfarre“ Polleben verdanken die beiden sicher dem Großvater J.B. Krebs. Schließlich hatte Krebs 1755 kurz vor dem Kauf von Ahlsdorf noch das Amt Polleben gepachtet, wie ich es 1998 in dem Text „Polleben“12 schon dargestellt habe. Allerdings hat Krebs wohl nur ganz kurz in Polleben gewohnt13. Seine zweite Frau hat im Winter 1756 dort entbunden, vielleicht, weil das Haus in Ahlsdorf renoviert wurde. 1757 hat die Familie das Phulsche Herrenhaus zugunsten des schönen Freyguts in Ahlsdorf aufgegeben. Ob damit auch die Pacht endete, wie Dr. Schlüter annimmt, weiß ich nicht. Die Herren von Phul waren noch bis 1780 „Inhaber“, aber sie haben niemals dort gewohnt. Das Herrenhaus wird schon in der Pachtakte 1755 Amtshaus genannt. Die Amtmänner, zunächst Popendiek, dann Einicken und später Wenzel mögen auch Verwalter für Johann Bartholomäus Krebs gewesen sein.
Als die Enkelin Maria Elisabeth Schmidt mit ihrem Mann 1773 in die Pfarre von Polleben einzieht, trennt sie sich von dem Großvater, aber vielleicht durchaus mit dessen Einverständnis. Erstens kann er, selbst so strebsam, seinem Schwiegerenkel nicht verdenken, dass der sich verbessern will. Denn die Einkünfte der Pfarre in Ahlsdorf bezeichnet Schmidt als „armselig“, die Pollebener Pfarre aber gilt als „gut“. Aber zweitens mag er auch hoffen, dass die jungen Leute ein Auge auf die Verwaltung seines Gutes haben. Ja, vielleicht ist ein Teil der Spannungen, die ich in den Briefen von Pfarrer Schmidt an sein Konsistorium bemerken konnte, darauf zurückzuführen, dass Pfarrhaus und Amtsverwaltung auch in Polleben in einer Familie lagen!
Der alte Mann bleibt nicht einsam in Ahlsdorf zurück. Seine Frau ist etwa 17 Jahre jünger als er und zwei seiner Töchter leben ganz in der Nähe: Friederika Christiana Heydenreich in Helbra und Augusta Christiana Adami in Benndorf. Ja, es ist sogar möglich, dass der Schwiegersohn Carl Friedrich Heydenreich, der das Freigut nach dem Tode von Krebs übernimmt, schon während des letzten Lebensjahrs des Alten in Ahlsdorf gewohnt hat. Am 29. November 1773 ist Johann Bartholomäus Krebs kurz nach Vollendung seines 73. Jahres gestorben.
1773
Den 29ten Novembris abends um 7 Uhr starb allhier Herr Johann Bartholomäus Krebs, Erb-Lehn- und Gerichtsherr der Dippelsdorfischen Gerichte am Stickfluß und wurde den 3ten Decembris unter Mittag mit Leichenpredigt und Abdanckung begraben. Er hat wohl sein Alter gebracht auf 73 Jahr 2 wochen 3 Tage.
Auf hohe Concession unseres Hochwürdig-Gräflich-Mansfeldischen Consistorii ist 8 Tage von 12 bis 1 Uhr geläutet worden auf Kosten der Erben und daß solches ohne Consequenz seyn solte.
Dr. Schlüter bemerkt dazu: „Er starb am ‚Steckfluß’, d.h. an einer Lungen- oder Herzaffektion und wurde in dem gemauerten Erbbegräbnis beigesetzt, das er selbst für sich und seine Familie hergerichtet hatte und in dem schon sein Sohn14 und sein Urenkelchen15 ruhten.“
Ein letztes Mal stellt Johann Bartholomäus Krebs seine „Herrschernatur“ unter Beweis. Das einwöchige Läuten zu seinen Ehren erhebt den Bürgerlichen in den Landadel. Die Erben fühlen sich dazu verpflichtet. Das Eisleber Konsistorium genehmigt es, aber es verwahrt sich dagegen, damit eine neue Tradition zu begründen.
Dr. Schlüter schreibt: „Der Stil, in dem die Sterbeintragung vom 29.11.1773 über Joh. Barthol. Krebs erfolgt ist, weicht von dem des Pastors Schmidt auffallend ab. Leider ist mir nicht mehr bewust, ob auch die Handschrift eine andere war.“ Es ist die Handschrift des Nachfolgers auf der Pfarre Ahlsdorf. Fritz Schepe notiert: „1773 bis 1779 ist Johann Christian Worch (Korch) Pastor in Ahlsdorf.“ Ich muss leider zugeben, dass ich mich um den Nachfolger Schmidts nicht gekümmert habe!
Der Begräbnisplatz in Ahlsdorf hat Dr. Schlüters Interesse gefunden: „Die Kirchenbuchauszüge zeigen, daß die Familie Krebs in Ahlsdorf eine „herrschaftliche“ Sonderstellung einnahm und wohl auch beanspruchte…..So hat Joh. Bartholomäus Krebs für sich und seine Familie neben dem Kirchhof eine eigene Begräbnisstätte aufmauern lassen. Das war damals bei Gutsbesitzern üblich, war aber kein Vorrecht des Adels.“ Dr. Schlüter ist selbst hingefahren und hat nach der Grabstätte gesucht. Er schreibt: „Sie lag ja im Stollgarten nahe an der Gottesackerwand, also außerhalb des Kirchhofs. Und noch heute verläuft am Kirchhof entlang die ‚Stollgasse’! Das deutet darauf hin, daß sich in alter Zeit hier (wie auch anderswo mitten im Ort) ein Bergbaustollen befunden hat…Die Kirche liegt leicht erhöht mitten im Dorf. Das Kirchhofsgelände ist ziemlich groß und senkt sich nach Süden zum Pfarrhaus hin flach ab. Es ist hier mit Obstbäumen bepflanzt, denn begraben wird auf dem Kirchhof nicht mehr, und es sind auch nur noch ganz wenige alte Grabstellen vorhanden. Auch nach Norden hin ist das Areal ziemlich groß und mit Rasen und einzelnen Bäumen bestanden. Hier fehlt aber eine entsprechende Absenkung. Vielmehr schließt das Terrain an der Oberkante einer etwa zwei Meter hohen, aus Bruchsteinen aufgeschichteten Mauer ab. Und an deren Fuß verläuft die Stollgasse. Die Häuser der Gasse stehen nur auf der Nordseite, aber für einen ‚Garten’ ist kein Platz. Entweder stehen also die Häuser auf dem Gelände des einstigen Gartens oder – und dafür spricht alles – der Kirchhof ist um diesen Teil erweitert und aufgeschüttet worden. In diesem vermutlich künstlich aufgeschütteten Bereich sind nun zwei ungleiche, große, flache Erhebungen zu sehen, deren Kanten sich deutlich vom übrigen Rasen abheben. Offenbar befinden sich darunter gemauerte Räume. Wahrscheinlich sind es verschüttete Grabkapellen; eine davon wird die der Familie Krebs-Heidenreich sein!“
Fritz Schepe berichtet in seiner Ahlsdorfer Chronik, dass Friederika Christiana ihren Ehemann Heidenreich überlebt und 1794 beerbt habe, von ihr übernimmt wieder ein Schwiegersohn, nämlich Kammerrat Friedrich Heinrich Hagemann, 1797 das Gut, indem er der Witwe Heidenreich auf ihre Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnrecht einräumt. Bei Hagemanns Tod 1814 beerbt ihn seine Witwe, die Kammerrätin Henriette Wilhelmine Auguste, geb. Heidenreich, eine Enkelin von J.B. Krebs. Sie verstirbt im Jahr 1837. Das Gut ging an ihren Sohn, der seine drei Geschwister auszahlen musste. Anscheinend war die Belastung zu hoch oder er war nicht ein Mann aus dem Holz seines Urgroßvaters. Jedenfalls ging das Freigut Ahlsdorf 1843 im Wege der freiwilligen Subhastation der Familie verloren. Doch haben auch danach stets Eigentümer auf dem Gut gelebt und gewirtschaftet bis 1945, dann wurde es, wie Fritz Schepe weiß, „im Zuge der Bodenreform an die Neubauern verteilt. In der weiteren Folge übernahm das Volkseigene Gut Annarode Gutshof und Ländereien. Mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten 1989 änderten sich auch die Besitzverhältnisse. Das ehemalige Freigut mit seinen Ländereien wird seit 1991 im Pachtverhältnis von Ottomar Oertel bewirtschaftet.“
1 Maschinenschrift unter „Chronik von Ahlsdorf“ im Stadtarchiv Lutherstadt Eisleben D XXXVII 281
2 Fritz Schepe, Chronik von Ahlsdorf, Stadtarchiv Lutherstadt Eisleben D XXXVII 281
3 Stadtarchiv Braunschweig, Chronik Görig, H III 3 Nr. 346 Vol.1 – 4.
4 Kirchenbuch St. Petri, Löbejün.
5 Kirchenbuch von Kösseln.
6 Das ist falsch! Siehe meine Berichtigung und Entschuldigung in „Auf dem Holzwege“, veröffentlicht im „EKKEHARD“ e.V. Neue Folge 17 (2010), Heft 2.
7 Kirchenbuch Nelben.
8 Neuß, Erich und Zühlke, Dietrich, Mansfelder Land, Berlin 1982.
9 Erich Neuß, Wanderungen durch die Grafschaft Mansfeld, Teil III, 50. bis 52. Folge in: Liberal-Demokratische Zeitung, Mansfelder Ausgabe, vom 3.bis 8. Sept. 1983, Halle 1983.
10 Eine Beschreibung des Gutseinkommens gibt es einmal von 1729 und einmal von 1781, das erwähnt C. Rühlemann in seiner „Geschichte des Freiguts Ahlsdorf und dessen Besitzer. (Mansfelder Heimatblätter 13. Juni 1931). 1729 stammen die Angaben aus der Beleihungsurkunde für Christian August Thomasius, den zweiten Sohn und Lehnsnachfolger des Halleschen Gelehrten Dr. Christian Thomasius, 1781 stammen die Angaben aus der „Handbuchstabelle vom Freygute Alsdorf“, die bei der Lehnserneuerung durch König Friedrich den Großen aufgestellt wurde nach dem Tod des letzten Grafen von Mansfeld.
11 in: EKKEHARD, Familien- und regionalgeschichtliche Forschungen, Hallische Familienforscher „EKKEHARD“ e.V. Neue Folge 12 (2005), Heft 3.
12 Polleben [über die Familien Heise, Liebscher, Krebs, Schmidt und Ramdohr von 1730 - 1837] in: EKKEHARD, Familien- und regionalgeschichtliche Forschungen, Hallische Familienforscher „EKKEHARD“ e.V. Neue Folge 5 (1998), Heft 4, S. 112.
13 Dr. Schlüter findet am 3. November 1756 im Kirchenbuch Wettin die 2. Frau von Krebs als Patin eingetragen, danach ist sie „Frau Oberamtm. Krebsin von Polleben“ und am 19.4.1760 im Schülerverzeichnis der Latina der Franckeschen Anstalten einen Ernst Leopold Krebs eingetragen, dessen Vater „Joh. Barthol., Pachter …jetzt in Bulleben im Mansfeldischen“ lebe. Das erste ist vielleicht, bevor das Wohnhaus in Ahlsdorf für den neuen Bezug hergerichtet war, das zweite ist während des Siebenjährigen Krieges, vielleicht auch während einer Vakanz in der Verpachtung.
14 Am 9. August 1764 verstarb in Ahlsdorf der 12jährige Sohn von Joh. Barthol. und Joh. Eleonora Krebs Johann Leberecht Krebs. Er war am 29. 1. 1752 in Wettin geboren worden, ist aber im dortigen Kb als „Adam Emanuel Leberecht Krebß“ eingetragen. (Dr. Schlüter)
15 1768 den 4. Sept. starb meine erstgeborene Tochter Rosina Sophia Elisabeth Schmidin und ist dieselbe den 6. ejusd. mit einer Abdanckung, so der Herr Pastor Rost aus Creißfeld gehalten, zu ihrer Ruhe gebracht und neben des hiesigen Herrn Oberamtmanns Johann Bartholomäus Krebsens 4tem Sohn, Johann Leberecht, an denjenigen Ort, welchen der Herr Oberamtmann Krebs in seinem sogenannten Stoll-Garten, so nahe an der Gottesacker-Wand gelegen, zu seinem Erb-Begräbniß bestimmt, eingesenket worden.