Deutungen

Wir leben von Deutungen. Schon ein neu geborenes Kind deutet Berührungen, Lichteindrücke, Töne. Und von Anfang an kämpfen wir mit Fehldeutungen.

Mir scheint, als habe mich dies Problem immer beschäftigt. Und als habe es mich mehr beschäftigt als die Menschen, die mich umgeben.

Habe ich das richtig verstanden? Diese Miene, diese Geste, dieses Wort? Kann ich mich auf meine Deutung verlassen? Ist sie sachgerecht, wird sie meinem Gegenüber gerecht? Oder täusche ich mich?

Eine vergnügliche Sache ist das Forschen nach den Vorfahren. Manchmal merke ich, dass ich weiter gar nichts will: wissen, wer sie waren, wo sie lebten und ihr Lebensgefühl nachempfinden, als wären sie ein Stück von mir.

Aber manchmal möchte ich über meine Entdeckungen reden. Ich möchte sogar über meine Funde schreiben. Denn Schreiben ist neben Forschen mein zweites großes Vergnügen. Und schon habe ich ein Problem: Wie ordne ich meine Familiengeschichte?

Christa Lippold, geb. von Mering: Familiengeschichte

Zuerst veröffentlicht in: EKKEHARD, Familien-und regionalgeschichtliche Forschungen, Hallische Familienforscher "EKKEHARD" e.V. Neue Folge 7 (2000), Heft 3, S. 52

Zweitens veröffentlicht in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, Bd. 42, Jg. 93 Heft 4, Oktober - Dezember 2005, S. 107

I. Einer meiner Nachbarn wollte mir gerne etwas Gutes tun. Und er kopierte mir aus dem Internet ein Genealogisches Programm. Cumberland Family Tree heißt das Programm und nach allem, was ich sehen kann, gehört der Autor derselben Kirche der Heiligen der Letzten Tage an, zu denen auch die Leute in der Wartenau 20 in Hamburg zählen, bei denen ich schon seit Monaten Kirchenbuchfilme durchsuche.

Der Autor von Cumberland Family Tree nennt sich Ira Johan Lund, ist natürlich Amerikaner, aber mit norwegischem Hintergrund, und hat, damit er die Nuancen seines Programms zeigen kann, eine Amerikanerin, die aus China stammt, zur Frau. Da ich keine andern Programme kenne, ist die Beurteilung für mich schwer. Ich sehe aber, daß es gegenüber dem, was ich mir selbst an Methoden erarbeitet habe, einige Vorteile bietet. Der größte scheint mir zu sein, daß die Regeln formuliert sind. Wenn ich meine Forschung niederlege, kann ein anderer an Hand dieser Regeln fortfahren. Das ist bei meinem sehr persönlichen Vorgehen, wo so vieles auf meinem Gedächtnis beruht, nur bedingt möglich.

Eins fällt mir sehr auf: Ira Johan Lund erweckt den Eindruck, als sei er am Gelingen meines Stammbaums persönlich interessiert. Und so rät er: Verliere nie dein Ziel aus den Augen! Bedenke immer, was du erreichen möchtest, und konzipiere deine Forschung dementsprechend.

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