Zuerst veröffentlicht in: ANDERNACHER ANNALEN 5, 2003/2004, Hrsg. v. Historischen Verein Andernach e. V., S. 64ff.
Das Testament von Tilman Theodor Mering 1717
„Im Jahr Christi tausend sieben hundert und siebenzehn in der 10.ter Römer Zinß Zahl bey Herrsch- und Regierung des Allerdurchleuchtigsten, Großmächtigst- und Unüberwindlichsten Fürsten und Herren Herrn Caroli Sexti Von Gottes gnaden erwehltem Römischen Kaysers[1]“ liegt ein junger Priester in Köln auf dem Sterbebett. Es ist Tilman Theodor Mering, geboren in Köln am 25. 9. 1689, Priester seit 1711, seit 1715 Kanonikus an St. Aposteln[2]. Theodor Mering ist „Zwahren Bettlegerich krank“, kann „aber guten Verstandes sein Redt reden“. „In der Tranckgassen dahier in Wohnbehausung des Hochwürdig Herrn Thumb Capitularen Herrn Henrichen Mehring[3] oben auffen newen Zimmer Straßen warths“, also in der Wohnung des älteren Halbbruders des Kranken, haben sich Schöffen, Zeugen, Schreiber mit dem „bei Einem Ehrsahmen Hochcolnißen Rath immatriculirten Notario“ versammelt. Tilman Theodor verfügt, nachdem er für seine Seele, sein Begräbnis, seinen Beitrag zum Dombau und die Gedenkmesse in Sankt Aposteln gesorgt hat: „Zum Fünfften Legirte Seinem Brudern Herrn Friderico Mehring wöchentlich ein Reichs Thaler unfehlbar nach sein Testatoris Todt den selben pro alimentis Leblänglich auß zu Zahlen und Her zu geben“. Diese freundliche Fürsorge für den Bruder schränkt der Testator aber einige Abschnitte später erheblich ein: „welchen (wenn) aber sein Testatoris Vorhin gem. (gemeldeter) Bruder Friderich Mehring sich solcher gestalt aufführen wird, daß die familie darob unglimpff hätte od. auch dessen Creditoren dieses alimentations deputat mit arrest od. anderen Exemtions Mittel Bestricken würden, solchen pfalls solle Herrn Testatoris universal Erb ahn (an) fernere Zahlung des wöchentlichen Reichsthalers nit gebunden sein sondern zu anderwärtigem ihm Beliebig Ends Verwenden Mögen.“Die Beziehung des sterbenden Theodor zu seinem nur wenig älteren leiblichen Bruder[4] Fridericus oder Friderich Mering ist also eine sehr ambivalente. Einerseits möchte er über seinen Tod hinaus für ihn sorgen, indem er ihm eine wöchentliche Hilfe zum Lebensunterhalt aussetzt. Andrerseits fürchtet er, dass dieser Bruder der Familie „Unglimpff“, also „Schande“ machen könnte und dass seine Schulden so verzweifelt ansteigen, dass Gläubiger ihm auch den einen Reichsthaler wöchentlich würden streitig machen. Wir stellen uns nach diesem brüderlichen Zeugnis unter Friderich Mering einen Mann vor, der ein ziemlich loses Leben führt.
Johann Friedrich Merings Totenzettel
Ein ganz anderes Bild von eben diesem Mann vermittelt der pompöse Totenzettel Johann Friederichs (denn so schreibt er sich nun), von dem eine Fotokopie in meine Hände gelangt ist[5]. „Jesus! Maria! Joseph! Franciscus! Im Jahr nach der gnadenreichen Geburt Jesu Christi 1754 den 20ten Januar ist dahier zu Andernach Weyland Der Hochwohlgebohrne Hochgelehrte Herr, Herr Johann Friederich von Mering Zeitlebens gewesener Kaiserl. Königl. Hauptmann beym löbl. Ogilvischen Regiment zu Fuß, nachheriger Direcktor der hies. Ober-Zöllnerei, Kur-Kölnischer Rath, Syndicus des Franziskaner Novitiat und Patron der Familien-Stiftung zum Kreutzberg u. s. w. Nachdem derselbe schon längst mit einem Schlagflusse starck gerührt und gelähmet, heute aber mit einer ausserordentlichen Altersschwäche überfallen, mit allen Hochnöthigen nach Christkatholischem Gebrauch wohl versehen worden, in den Willen des Allmögenden sich völlig ergebend, Demselben seelig entschlafen. Hochdessen liebe Seele wird allen Priestern in das heilige Messopfer, besonders dem Orden des heiligen Francisci hierselbst, welchem hoch Er affiliirt zu sein bestens verdienet hat, wie auch aller Christgläubiger Gebeth bestens empfohlen wird, damit Sie desto eher im Frieden ruhe.“ Demnach ist im Alter von fast siebzig Jahren als angesehener Mann in Andernach derjenige gestorben, von dem, als er jung war, in Köln befürchtet wurde, er könne in seinen Schulden versinken und „unglimpff“ über die Familie bringen. Dahinter steht gewiss ein interessanter Lebenslauf.
Lebensdaten
Im Januar 1717, als Tilman Theodor Mering sein Testament verfasst, müsste Friderich Mering etwa dreißig Jahre alt sein. Denn bei seiner Immatrikulation an der Kölner Universität 1702[6] zählte er vermutlich fünfzehn oder sechzehn Jahre. Im Herbst 1713 hat Friderich zum ersten Mal geheiratet, Maria Eleonore Radenhauber[7]. Eine Tochter, Maria Theresia, hat er aus dieser Ehe, 1714 geboren[8], die später ins Kloster St. Mauritius eintritt[9]. Wenn er in seinem Totenzettel „Zeitlebens gewesener Kaiserl. Königl. Hauptmann beym löblichen Ogilvischen Regiment zu Fuß“ tituliert wird, legt das nahe, dass er bald nach den Studienjahren als Soldat ins kaiserlich-königliche Heer eingetreten ist. Sicher hat er nicht als Hauptmann angefangen, sondern als Fähnrich. Das „löbliche Ogilvische Regiment zu Fuß“ ist das sogenannte Deutsche Infanterie-Regiment[10], eines der Infanterie-Regimenter der Donaumonarchie. „1702 bis 1706 stand dasselbe bei der Armee am Oberrhein“ – „1707 das ganze Regiment in Ungarn (Siebenbürgen)“. Der Obrist O’Gilvy (später Graf O’Gilvy) ist von 1720 – 1733 der Inhaber, zeitweilig auch der Kommandant dieses Regiments[11].Von Oktober 1716 bis März 1717 liegt die kaiserliche Hauptarmee, und mit ihr das Deutsche Infanterie-Regiment[12], in den Winterquartieren in Ungarn[13]. Friderich könnte inzwischen Leutnant oder Oberleutnant sein. Vielleicht hat er die Winterpause genutzt, um seine Frau und seine Brüder in Köln zu besuchen. Vielleicht hat er da über seine Schulden geklagt. Er ist ein barocker Offizier in weißem Rock mit gelben Ärmelaufschlägen, er trägt einen großen Hut mit Federn darauf, er hat unbändige Lust auf Kampf, Trunk und Würfelspiel. Der Sold reicht nicht aus, ganz zu schweigen davon, dass der Kaiser ihn seiner Armee oft monatelang schuldig bleibt. Gegen einen Reichsthaler wöchentlich wird er nichts einzuwenden haben. Aber ehrlos fühlt er sich nicht. Er hat im letzten Sommer unter Prinz Eugen von Savoyen an der Schlacht von Peterwardein teilgenommen! Der zarte Theodor ist einfach zu ängstlich und zu streng. Zeitig im kommenden Frühjahr wird das Regiment, unter General Freiherr von Löffelholtz, nach Serbien rücken, im Juni wird es die wichtige Schiffsbrücke über die Donau schützen, die es der Hauptarmee von 100 000 Mann erlaubt, Belgrad aus nächster Nähe zu belagern, und am 20. August wird das Deutsche Infanterie-Regiment seinen Teil dazu beitragen, dass Prinz Eugen die Stadt von den Türken befreit. Wenn Friderich Mering seinen Einsatz nicht versäumt hat, ist er Teilnehmer der berühmten Überraschungsschlacht gewesen, die in dem Lied fortlebt: „Prinz Eugen, der edle Ritter, wollt dem Kaiser wiederum kriegen Stadt und Festung Belgarad“[14]. Nach diesem Sieg gab es viele Beförderungen in der kaiserlichen Armee. Friderich könnte, wenn er sich gut gehalten hat, zum Hauptmann ernannt worden sein. Wann er vom Tod des Bruders und seinem Testament erfährt und wie sehr er ihn betrauert, können wir nicht einmal ahnen, denn „1718 kam das Regiment nach Sicilien, focht 1719 bei Francavilla, später vor Messina und rückte dann nach Westsicilien“[15].
Der Domherr Henrich von Mering
Sehr betrauert hat den früh verstorbenen Tilman Theodor sicher der „Universalerbe“, der Domherr Henrich von Mering. Er hat mit der „ihm Jederzeith erwießenen fast Vätterlichen affection“[16] an diesem 22 Jahre jüngeren Halbbruder gehangen. Sicher wollte er dem strebsamen jungen Priester und Kanonikus eines Tages die Stelle des Domkapitulars zuschanzen, so wie ihm selbst sein Onkel Henrich Mering I. die Domherrenpfründe „vererbt“ hatte. Dieser Traum war nun dahin. Es gab nur noch einen lebenden Kölner Mering außer ihm selbst, dem schon fünfzigjährigen Prälaten. Das Gefühl des Verlustes vereinte sich mit dem Gefühl der eigenen Vergänglichkeit. Vielleicht hat der Tod Tilman Theodors bei Henrich Mering die sonst eher beiläufige Bruderliebe zu Friderich erst geweckt. Der Sterbende macht durch die Vorsichtsklausel in seinem Testament den ernsten Halbbruder Henrich für den lebenslustigen Bruder Friderich verantwortlich. Das jedenfalls könnte eine der Voraussetzungen für den Erfolg unseres Vorfahren in Andernach sein.
Der Rheinzoll
Andernach und Kurköln haben, scheint mir, wie die Brüder Mering eine ambivalente Beziehung zueinander. Andernach kann Kurköln als Schutzherrn nicht entbehren, andererseits ringt es immer um Selbstbehauptung. Kurköln, meist in finanziellen Nöten, braucht die Zustimmung der Stadt zu seinen Steuerplänen auf den Landtagen und die Einnahmen aus dem Andernacher Zoll. Den Rheinzoll von Andernach, ehemals ein Recht des Reiches, hat Kaiser Barbarossa 1167 seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Reinhard von Dassel geschenkt. Bis ins 18. Jahrhundert ist das Domkapitel als Regierung des Fürstbischofs Inhaber des Zolls. Es behandelt den Rheinzoll wie ein Kapital und vergibt Anteile bzw. Schuldbriefe an finanzkräftige Bürger[17]. So wird schon in einem Kölner Testament von 1646[18] erwähnt, dass die Erblasserin „Ihren antheil der Andernagischer Churf. Zoll daselbsten habender geldern“ an die Armen verteilen will.Zu diesem Kapitalmarkt gehört auch eine praktische Seite: Der Rheinzoll wird erhoben. Dazu müssen die Frachtschiffe bei Berg- und Talfahrt in Andernach anlegen, sich kontrollieren lassen und Zollgebühren nach Tarif bezahlen. Die Gebühren müssen eingesammelt, aufgeschrieben und nach Abzug der Unkosten an den Fürstbischof abgeführt werden. Das Personal für diesen Aufgabenbereich besteht traditionell aus Zöllner, Zollschreiber, Beseher, Nachgänger und zwei Zollknechten. Dazu gehört ein Zollgebäude über einem Stadttor an der Rheinseite von Andernach[19], dessen Bauplan aus einem Renovierungsvorhaben von 1775[20] erhalten ist. Neben einem angewinkelten Eingangsbereich gibt es in der Mitte eine Schifferstube, eine Küche mit Herd und ein Kontor, im wiederum angewinkelten Teil ist ein Archiv, zeitweilig auch eine Schlafstube, vielleicht für den Zollschreiber, dessen Nachtruhe im Sommer kurz sein wird. Der Zöllner hat offenbar nie in dem Gebäude gewohnt. Bürgermeister und Rat der Stadt Andernach haben den Zoll von Kurköln direkt vor Augen. Damit diese Augen nicht gar zu neidisch auf die Zöllnerei schauen, bekommt Andernach einen Anteil an den Einnahmen. Der älteste Anteil Andernachs besteht darin, dass Andernacher Waren zu Wasser und zu Lande seit 1346 zollfrei passieren[21]. Die zweite Vergünstigung ist der monatliche Turnos. Dieses Privileg hat den Andernachern Kaiser Friedrich III. 1475 eingeräumt „zur Stiftung einer Messe in der Pfarrkirche daselbst für die in des Reiches Diensten (vor Linz) erschlagenen Bürger von Andernach“[22]. Ursprünglich war der Turnos wohl eine Münze, später muss er immer wieder an die geltende Währung angeglichen werden[23]. Und die dritte Vergünstigung ist, dass das Personal des kurkölnischen Zolls aus Andernachern besteht. Das ist natürlich praktisch, weil die Leute dadurch ansässig und ortskundig sind. Doch kommen eben auch die Gehälter, die von den Gebühren als Unkosten abgezogen werden, Bürgern der Stadt zugute.An der Spitze des Rheinzolls steht immer ein Mann vom Patriziergeschlecht der Nuppeney, jedenfalls so weit ich in den Akten schauen konnte. Das ist schon vor dem 30jährigen Krieg so, das ist so bis zur Zerstörung Andernachs im Jahre 1689 durch die Franzosen und das ist auch nach dem Wiederaufbau 1697 so. Ein Nuppeney ist Zöllner von Andernach bis 1724. Und ein Nuppeney ist Zoll-Verwalter ab 1747[24]. Aber dazwischen, da gibt es einen Zöllner aus Köln. Er heißt Johann Friederich Mering. Wie hat der kaiserliche Hauptmann des löblichen O’Gilvyschen Regiments, wie hat der Bruder der Kölner Geistlichen Henrich und Tilman Theodor Mering diesen traditionsreichen Posten in Andernach errungen?Meine Hypothese, die diese Frage beantworten soll, stützt sich auf ein weiteres Testament aus Köln, das Testament des Domherrn Henrich de Mering vom 7. November 1733[25]. Darin heißt es:…. insuper praenobilem Dominum Scabinum et Consulem Andernacensem Matthiam Rubsam ut pro amicitiâ et afinitate quae intra nos est, et pro amore quo Proles filiae suae prosequitur requiro et nomino ut simul cum Dominis â me supra nominatis Executoribus implementum meae voluntatis exequi et bonum ac utilitatem dictarum Prolium promovere et observare non gravetur et pro grata memoria sumat ex argento meo poculum magnum de auratum. Ich übersetze das so: … außerdem ersuche und ernenne ich den edlen Herrn Schöffen und Bürgermeister von Andernach Matthias Rübsam, dass er wegen der Freundschaft und Nähe, die zwischen uns besteht, und wegen der Liebe, mit der er für die Nachkommen seiner Tochter sorgt, dass er zusammen mit den Herren, die ich oben zu meinen Exekutoren ernannt habe, den Inhalt meines letzten Willens ausführe, und damit es ihn nicht beschwere, das Gute und den Nutzen der erwähnten Nachkommen zu fördern und zu bewahren, und auch zu einem angenehmen Andenken erhalte er aus meinen Silbersachen den großen vergoldeten Becher.
Eine Männerfreundschaft
Solche Nachrichten findet der Familienforscher nicht alle Tage. Da gibt es also zwei Freunde, zwei nun schon ältere Männer, der eine ist Domherr und Kanonicus in Köln, der andere Schöffe am Hohen Rittergericht und Ratsherr, immer wieder auch Bürgermeister von Andernach. Henrich de Mering ist 1733 sechsundsechzig Jahre alt. Matthias Rübsam ist 71 Jahre alt. Sie fühlen sich beide als nobiles, auch wenn Rübsam kein de verwendet. Sie sind beide Juristen, mögen sich seit ihren Studienjahren kennen, sind sich beruflich bei Gerichtsverhandlungen, auch bei Landtagen der Stände begegnet. Sie fühlen sich beide verantwortlich für die gleiche Nachkommenschaft: für die Kinder der Tochter Rübsams, die die Kinder von Henrichs Bruder Friederich Mering sind. Wenn man bedenkt, dass Heiraten im 18. Jahrhundert sehr oft das Ergebnis von Verträgen zwischen zwei Familien sind, kann man schließen, dass die beiden Freunde das junge Paar nicht erst jetzt fördern, sondern dass sie im Jahr 1724 diese Heirat auch gestiftet haben. Matthias Rübsam hatte keine lebenden Söhne, doch vier Töchter und ein großes Vermögen. Eine Tochter war gesundheitlich zart, sie blieb ledig, eine wurde geistlich, eine hatte schon 1717 Caspar Paffrath, einen Ratsverwandten und Ritterschöffen von Andernach, geheiratet. An einer guten Verheiratung auch der ältesten Tochter Maria Gertrude war dem Vater sicher gelegen. Auf der andern Seite der Domherr aus Köln. Auch er hatte ein schönes Vermögen, noch vermehrt durch das Testament von Tilman Theodor. Sein einziger überlebender Bruder war nun, 1724, etwa 38 Jahre alt, er war nach Ansicht des Geistlichen lange genug Offizier gewesen, er sollte eine feste Beamtenstelle einnehmen und, da seine erste Frau verstorben war, wieder heiraten. Er sah sich also nach einer passenden Partie für seinen Bruder um.Das Verhältnis zwischen Kurköln und Andernach war seit 1716 gespannt[26]. Vielleicht war die Rückkehr des Fürstbischofs Joseph Clemens aus dem französischen Exil 1715 gar nicht gut für Andernach gewesen. Vielleicht hatte sich die Stadt unter der Regierung des Domkapitels und des Kanzlers Karg besser gefühlt. Aber vielleicht hatten sich auch in den langen Jahren, wo Kurköln nur von Stellvertretern verwaltet wurde, die Probleme gehäuft. Auf jeden Fall war der Staat verarmt, den Turnos an Andernach schuldig geblieben. Und auf jeden Fall hatten die Nuppeneys nicht nur den Rhein- und den Landzoll, sondern auch den Amtsverwalterposten und das Schultheißenamt an sich gebracht. Als im Jahr 1723 der Fürstbischof Joseph Clemens und 1724 sein Zöllner in Andernach, der Patrizier Hyeronimus Nuppeney sterben, ist es Zeit für eine Wende. Mit dem Regierungsantritt von Clemens August soll alles anders werden. Gleich 1724 erhebt die Stadt Andernach auf dem Rechtsweg Klage gegen den neuen Erzbischof Clemens August, dass Kurköln ihr den Turnos seit 1716 schuldig geblieben sei.[27] Sie erklärt auch, dass sie sich auf keinen Fall mit Schuldverschreibungen an die kurfürstliche Rentkammer abspeisen lassen wolle, da ihre eigenen Gläubiger, zu deren Befriedung sie das Geld brauche, solche Schuldverschreibungen ablehnten. Das wirft ein bemerkenswertes Licht auf den Zustand der Finanzen des Erzbistums. Und dass die Rechtsanwälte des Kurfürsten verlangen, Andernach solle den Text des Privilegiums beibringen, während die Stadt behauptet, das habe sie längst der Rentmeisterei gegeben, wirft ein Licht auf das Durcheinander in der Verwaltung.Es gibt noch weiteren Ärger. Irgendjemand muss dem Domkapitel in Köln gemeldet haben, dass die Erben des Zöllners Nuppeney seit langem das Amt als Eigentum der Familie betrachteten und den Zollhof an der Nettebrücke, der doch kurfürstliches Lehen sei, unter die private Erbmasse gezählt und neu vergeben haben, ohne das Domkapitel zu fragen[28]. Das Domkapitel strengt einen Prozess an. Der Nettehof sei altes Eigentum des Domkapitels, der Nettebrückenzoll Teil des Kölner Landzolls und 1658 zwar an die Familie Nuppeney verpachtet worden, aber bei der Neuvergabe habe es mitzureden. Die Nuppeneys berufen sich im Prozess darauf, dass das Domkapitel 1689, als es den Hof nach den Zerstörungen des bayrischen Erbfolgekrieges nicht in Stand setzen konnte, auf den Besitz verzichtet habe. Natürlich war das ein anderes Domkapitel damals – und auch eine andere Generation Nuppeney. Der Streit wird heftig geführt. Die beiden Freunde Henrich de Mering und Matthias Rübsam erfahren natürlich aus erster Hand von diesen Prozessen, der eine als Schöffe am Rittergericht und Ratsherr von Andernach, der 1722 gerade wieder einmal Bürgermeister war, der andere als rechtsgelehrtes Mitglied des Domkapitels. Vielleicht sind beide besorgt über den Unfrieden. Vielleicht kommt er ihnen auch sehr gelegen. Gemeinsam denken sie über eine Schlichtung nach. Und natürlich denken sie an ihre eigenen Interessen. Mering glaubt zu wissen, dass das Domkapitel auf keinen Fall einen der Nuppeney-Erben auf einem Posten des kurfürstlichen Zolls in Andernach sehen will. Und auch den Amtsverwalterposten soll kein Nuppeney mehr innehaben. Matthias Rübsam weiß Rat. Am 17. Juli 1724 ernennt Kurköln den Schwiegersohn Rübsams, Caspar Paffrath, zum Amtmann von Andernach[29] und auch der neue Rheinzöllner soll ein Schwiegersohn Rübsams werden: der Bruder des Kölner Domherrn, verlobt mit Rübsams Tochter Maria Gertrude. Ich hoffe, meine These ist nicht allzu kühn. Aber die Ablösung der Familie Nuppeney von den kurfürstlichen Ämtern wird am 24. April 1726 noch vorangetrieben, wenn auch der Landzoll und das Nettebrückengeld Matthias Rübsam zugesprochen wird[30].
Der Landzoll
Im kurfürstlichen Pachtvertrag heißt es: Demnach Wir die gefälle Unseres Andernacher sowohl, als des daselbst für den Zoll Lyntz erhebenden LandZolls von Viehe, Wein, Früchten und anderen Zu gem.en (gemeldeten) Andernach über land passierenden Waren, annebenste die erhebung des Uns von der an der Netten negst erst gem.en (gemeldeten) Unserer Statt Andernach erbaueten Brücken zukommenden bis anher besonders verpfachteten Brückengutes, nachdem Wir die bisherigen Pfächter aus Uns bewogener Ursachen ihrer pfachtung erlassen, und deren beschehener Aufkündigung ggst. (gnädigst) statt gegeben, dem Bürgermeister zu offbesagtem Andernach Matthiassen Ruebsahm und dessen Erben von Newem mit anfang des negstkünfftigen juny in pfachtung überlassen haben ….. Die Verpachtung erfolgt auf 12 Jahre, kann nach sechs Jahren von jeder Vertragspartei mit dreimonatiger Kündigungsfrist beendet werden. Die Pachtsumme beträgt siebenhundert Reichsthaler zu 80 Albus Cölnisch, „quartaliter“ in Raten zu zahlen. Bis 1732 wird Matthias Rübsam mit seinen Schwiegersöhnen Paffrath und Mering in Andernach Kurköln vertreten. Nur der Schultheiß bleibt Servatius Nuppeney.Trotz all meines Suchens in Koblenz, Köln und Düsseldorf habe ich die Bestallung des Zöllners Friderich Mering nicht gefunden. Das liegt vielleicht daran, dass es sich dabei um eine Ernennungsurkunde handelt und nicht um einen Pachtvertrag. Landzoll und Rheinzoll sind zwar oft in derselben Hand gewesen, aber sie sind eben doch voneinander ganz verschiedene Einkünfte. Wenn man so will, ist der Rheinzoll „moderner“ als der Landzoll. Der Zöllner Mering ist ein Gehaltsempfänger, der Zöllner Rübsam ein Zollpächter, obwohl auch der Rheinzöllner eine Kaution stellen muss[31] und auch der Landzöllner eine Tarifliste bekommt und nicht etwa willkürlich Zoll erheben kann. Im Gegenteil, die willkürliche Einnahme durch die Nuppeneys erscheint als die „Uns bewogene Ursache“ zu ihrer Ablösung, wenn es im Pachtvertrag für Rübsam heißt: „alles nach anweisung beygeheffteter Zoll-ordnung und rollen erheben, von berürtem Brückengeld auch niemanden befreyet seyn laßen, sondern wie bis daher ist eingenohmen worden oder hätte eingenohmen werden sollen, ferner solches einnehmen und einfordern, über bemeldeter Zollroll aber noch sonsten wieder gebühr jemand nicht beschwehren …“[32]. Schon im Januar 1725 hat Friderich Mering die Zollabrechnung des Andernacher Rheinzolls geschrieben[33]. Und bei seiner Hochzeit in facie ecclesiae am 18. Dezember 1725 ist er Praenobilis ac strenuus dominus Joannes Fridericus de Mering, Telonii andernacensis praefectus und wird vermählt mit praenobilis Domina Maria Gertrudis Rubsam. Visa dispensatione in proclamationibus et testibus praenobilis DD. Matthia Rubsam ac Richardo Dötsch[34]. Warum das Paar Dispens von den vorgeschriebenen Proklamationen hatte, weiß ich nicht. Hat Matthias Rübsam, der selbst erst 1697 Bürger von Andernach[35] geworden ist, Widerstand gegen diese Heirat von Seiten der alten Patriziergeschlechter befürchtet?
Patrizier
Die ersten Jahre können für Friederich und Maria Gertrude nicht leicht gewesen sein. Friederich muss sich nach den Jahren des Soldatenlebens an die Sesshaftigkeit gewöhnen und in seine neuen Aufgaben einarbeiten. Er muss um Sympathie unter den Verwandten seiner Frau – den Artz, den Bruels, den Hommers, den Paffraths – und er muss um Vertrauen unter seinen Nachbarn werben. In seiner Ehe muss er trösten: Das erste, lang erwartete Kind stirbt gleich am Tag der Geburt. Aber es scheint, als sei Friederich mit fast 40 Jahren erwachsen geworden. Er lebt sich ein und, soviel ich nach den erhaltenen Akten in Erfahrung bringen konnte, führt er sein Amt ohne Beanstandungen.Vielleicht ist es kein schweres Amt. Die Durchsicht der Waren auf den Lastschiffen macht der Beseher. Die Zollrechnungen schreibt der Zollschreiber. Der Nachgänger führt die abschließende Kontrolle durch. Johann Friederich ist natürlich verantwortlich in Zweifelsfällen, bei Beschwerden. Er muss mit seiner Autorität seine Untergebenen gegen widerspenstige Schiffer stützen, aber er muss auch über die Unbestechlichkeit der Beamten wachen. Seine Hauptverantwortung dem Kurfürsten gegenüber sind die Jahresabrechnungen. Zu Anfang scheint er sie selbst geschrieben zu haben, nachher überlässt er das gern dem Zollschreiber Ferdinand Welter. Nur 1735 macht er es noch einmal selbst in seiner schwertgewohnten Hand. Für gewöhnlich aber kontrolliert er die Einnahmen und Ausgaben nur und unterschreibt: Joann Frideric Mering Zollner oder JFMering, später auch: Mein Johann Friedrichen Mering Zöllnern Originale[36]. Und natürlich muss er die Gehälter auszahlen, die Zollknechte mit den Zinsen an die Aktionäre abfertigen sowie den Reingewinn an die Rentmeisterei senden. Viele seiner Jahresabrechnungen sind erhalten, die letzte von 1746. Er war jahrelang wirklich berufstätig in Andernach. Sein Gehalt beträgt monatlich 11 Goldgulden 1 Silbergroschen, das sind jährlich etwa 134 Gulden, die 200 Reichstalern entsprechen[37]. Es ist sehr schwierig, sich über die Kaufkraft damals Vorstellungen zu machen, schon weil die Münzen so zahlreich waren. In Gold gab es Pistolen, Ducaten, Reichsthaler Species, Louis Blance und Rheinisch, in Silber die Albos, Schillinge, Heller und Petermertge. Mir scheint aber, als hätte das Gehalt für ein standesgemäßes Leben nicht ausgereicht, auch wenn noch „Akzidentalien“ dazu kamen, d.h. kleinere Vergütungen der Schiffer an die Beamten[38], die aber oft in Naturalien bestanden, so Lebkuchen oder Wein. Wahrscheinlich haben Schwiegervater und Halbbruder immer zum Unterhalt der Familie beitragen müssen. Mathias Rübsam tut das, indem er die Wohnung stellt. Ich nehme an, das junge Paar wohnt von Anfang an auf dem Hofgrundstück zwischen Korn- und Pfeffergasse, diesem Hofgrundstück, das Mathias Rübsam mit seiner ersten Frau Maria Catharina Artz 1702 gekauft oder, falls sie Erbin des Ohlbrückschen Hofes war, durch Kauf vergrößert hat[39]. Die „Pforte“, früher eine barocke Durchfahrt für Gespanne an der heutigen Rheinstraße, zeigt noch das Wappen der Rübsams und der Artz, die gekreuzten Schwerter und das Kleeblatt[40]. Das eigentliche Wohnhaus lag, über einen Hof von der „Pforte“ aus erreichbar, an der Pfeffergasse, der heutigen Meringstraße. Dort war ebenfalls ein Tor, so dass Pferdewagen oder Kutschen im verwinkelten Hof neben Scheune und Stallgebäude nicht zu wenden brauchten. Dies Wohnhaus in der Meringstraße diente von 1830 – 1945 als Schule. Nach Aussage von Karl Wind[41] wurde es 1945 durch eine Luftmine vollständig zerstört. Heute sind dort nur noch Garagen, aber es gibt eine Beschreibung in einem Kunstführer von 1941. Darin heißt es[42]: Meringstr. (ehemals Pfeffergasse) Nr. 5: ehem. Hof der Herren v. Mering, nach Mitteilung des Stadtarchivars Weidenbach ehem. Bassenheimer Hof, heute Schulgebäude. Anlage mit zwei Flügeln an der Straße, stattlicher Verputzbau von zwei Geschossen mit Halbgeschoß, hohe rechteckige Fenster, 17. Jh. Der rückwärtige Flügel von 1576, ebenfalls zweigeschossig mit Treppengiebel. Die stichbogigen Fenster jünger. Im Innern alte Spindeltreppe und Reste alter Balkendecken. Die Balken mit Blättern und Tau belegt. An der Konsole, auf der ein Balken ruht, Medaillon des 16. Jh. mit Kopf und Umschrift DER DRIT KEISER TIBERIUS NERO. Alte Treppe im Heimatmuseum. (s. d.).“ Diese Treppe aus Eichenholz mit einem geschnitzten Pfostengeländer von 1610 wird tatsächlich im Stadtmuseum heute noch genutzt, weil irgendwann eine solche Treppe für Schulkinder nicht geeignet erschien. Sie war schon eine Antiquität, als der Zöllner 1725 ins Haus einzog. Wie oft mag er die Treppe hinaufgegangen sein in die oberen Wohnräume! Wie auch immer die Zimmer zu seiner Zeit aufgeteilt wurden, sicher war Platz genug für zwei Familien: den alten Bürgermeister Rübsam mit seiner dritten Frau[43] und seiner Tochter Anna Catharina[44] und für die junge Familie Mering. Wenn sich das Büro für den Zoll wirklich über dem Rheintor befand, hatte Friedrich es von der „Pforte“ mit dem Wappen seiner Schwiegereltern nur ein paar Schritte zu seiner Arbeitsstätte. Das Wappen der Schwiegereltern! Friederich hat in Andernach eingeheiratet. Er begegnet überall dem Einfluss, den Verbindungen seines Schwiegervaters. Er zieht Vorteil aus dessen Freundschaften. Wahrscheinlich muss er auch die Nachteile von dessen Feindschaften tragen.Sicher ist es Matthias Rübsam, der seinem Schwiegersohn den Kauf der Grabstelle bei den Franziskanern vermittelt. Bei den Franziskanern begraben zu werden, war standesgemäß und teuer. Johann Friederich verweigern die Franziskaner die Grabstätte nicht, denn Matthias Rübsam ist Syndicus Apostolicus des Klosters – er berät die Mönche in Rechtsfragen. Man versteht plötzlich, warum Friederich bei jeder sich bietenden Gelegenheit „kaiserlicher Hauptmann“ tituliert werden will. Den militärischen Rang verdankt er wenigstens seiner Tüchtigkeit! Deswegen heißt es im Grabstellenbuch der Franziskaner: Anno 1728 Praenobilis Dnus Joannes Fridericus Von Mering S. Caes. Maj. Regiminis Ogilvi Capitaneus, S. Elect. Colon. telonarius in Andernach sibi uxori suae et posteris ad hoc sepulchrum jus acquisivit.1728 14. Juniy in hoc sepulchro sepulta est Ima eius proles.Wenn wir Merings die Gräber unserer Vorfahren in Andernach suchen, können wir in die gotische Franziskanerkirche, die heutige evangelische Christus-Kirche treten. Sowohl die Gruft der Rübsams als auch die des Zöllners Mering befand sich im Chor der Kirche[45]. Ihre genaue Lage ist nicht überliefert. Mit Maria Gertrude Rübsam hat Friederich sechs Kinder. Zwei Mädchen und ein Junge sterben früh, drei Söhne werden erwachsen. Bei den ersten beiden Taufen sind nur Verwandte Paten: die junge Schwester der Mutter, der ältere Bruder des Vaters. Ab 1730 sind es außer dem Großvater Matthias, der jetzt häufig gebeten wird, immer wieder Servatius Nuppeney, der Schultheiß von Andernach, und seine Frau[46]. Nur einmal gibt es einen auswärtigen Paten, den kaiserlichen Rat und Generalsteuereinnehmer von Brabant Franz de Maringer, vielleicht einen Freund aus den Zeiten im kaiserlichen Heer, der jetzt wie Friederich Beamter geworden ist. Aber sogar dann vertritt am Taufstein bereitwillig Servatius Nuppeney den abwesenden Paten. Ich möchte daran ablesen, dass das Ehepaar Rübsam/Mering seinen Frieden mit den Nuppeneys gemacht hat. Der zum dritten Mal verwitwete, nun alternde Schwiegervater wird am 7. 12. 1732 nach einem kleinen Skandal im Mai desselben Jahres den Landzoll dem Schultheißen Servatius Nuppeney überlassen[47].
Die Testamente des Domherrn
In seinen Testamenten von 1733 und 1735 blickt der Domherr Henrich de Mering wohlwollend und zufrieden auf das Haus seines Bruders in Andernach. Die Mutter sorgt gut für ihre Kinder, der Großvater hat ein wachsames Auge auf die Finanzen. Der alte Priester macht aus seinem Vermögen ein Fideikommiss. Er setzt sowohl seinem Bruder als auch dessen Frau, jedem persönlich, 100 Imperiales (Reichstaler) pro Jahr aus, „damit sie umso besser die Last der wirtschaftlichen und angemessenen Versorgung der Kinder tragen können“. Jeder der Söhne, der das achte Lebensjahr erreicht, soll 66 Reichstaler und 52 Albos jährlich zusätzlich bekommen, wobei wohl die Weißpfennige das wöchentliche Taschengeld darstellen, die Imperiales aber für Kleidung und Unterricht gedacht sind. Jeder Sohn, der ins Grundstudium der Artes geht, bekommt 100 Reichstaler, wer aber, darauf aufbauend, ein Vollstudium in Theologie oder zivilem Recht beginnt, soll 250 Reichstaler als Stipendium erhalten. Wenn eine Tochter zur besseren Erziehung in ein Kloster geschickt oder sonst außerhalb des Hauses ausgebildet wird, sind auch für sie 66 Reichstaler und 52 Albos bestimmt[48]. Aus diesen sorgfältigen Verfügungen schließe ich, dass der alte Herr schon bei seinen Lebzeiten immer zum Haushalt in Andernach beigesteuert hat.Noch ehe das letzte Kind des Ehepaares im Oktober 1735 geboren ist, stirbt im Juli in Köln der Domherr von Mering. Sein Vermögen wird von den Testamentsverwaltern übernommen, Friederich bekommt seine eigene Ausfertigung der Bestimmungen zugestellt und er wird offiziell der Patron der Familienstiftung zum Kreuzberg.1736 ist Friederich etwa 50 Jahre alt. Mit Eifer, scheint mir, übernimmt er die Rolle des Familienältesten. Gerne verwaltet er die Stiftung der Domherren Mering auf dem Kreuzberg bei Wipperfürth, das spiegelt der Briefwechsel mit dem Missionar Wegerhoff[49]. Seine Einlassung am Ende des Schriftstücks, das die Genehmigung der Stiftung durch den Generalvikar in Köln erbittet, ist in Abschrift erhalten. Der Domherr Henrich hat den Text noch ausgearbeitet, ist aber vor der Unterschrift, zu der er vielleicht Zeugen beiziehen wollte, gestorben. Friederich fügt an: „Da diese Unterschrift meines Weiland Herren Bruders durch göttliche Abberufung unmöglich gemacht worden ist, so habe ich Friederich von Mering ehemals Hauptmann des Kayserl. Ogilvischen Fuß Regiments, wirklicher Kurköllnischer Hofrath und Zollverseher zu Andernach wie auch Syndicus des Franziskaner Novitiats zu Andernach, diese unsere weltliche Stiftung und Apostolische Mission /: de propaganda fide in partibus haereticis:/ unterschrieben, mit unserm Siegel versehen und eigenhändig unterzeichnet. Andernach, am Tage d: h: Bonaventura 14t. juli 1736. Johann Friederich von Mering.“Er ist seit etwa 1732 zum Hofrat ernannt[50] und die Franziskaner haben seiner Beratung ihr Noviziat anvertraut.
Johann Friedrich von Mering
Am meisten aber fällt mir auf, dass er sich „von Mering“ unterschreibt, während er bis 1746 die Zollabrechnungen mit „Mering“ zeichnet. Es sieht aus, als gebe es zwei getrennte Bereiche des Gebrauchs: im Kirchenbuch und im Grabstellenbuch der Franziskaner wird er immer „de“ oder „von“ genannt, wenn es um die Familien-Stiftung geht und später bei Grundstückskäufen nennt er sich selbst „von Mering“. Beruflich, seinem Herrn, dem Erzbischof gegenüber, bleibt er Johann Friederich Mering, Zöllner.1738 stirbt Matthias Rübsam, der findige Mann, im Alter von 76 Jahren. Sein Leben lohnt eine eigene Darstellung. Zwei seiner Töchter überleben ihn: Maria Gertrude de Mering und die Nonne Maria Theresia im Kloster Niederwerth[51]. Die ledige Tochter Anna Catharina ist schon 1730, die Frau Caspar Paffraths 1736 gestorben. Friederich von Merings Nachkommen sind zusammen mit den Kindern Paffrath die Erben des großen Rübsamschen Vermögens. Er selbst ist Nachfolger des Schwiegervaters als Syndicus Apostolicus bei den Franziskanern. Allerdings ist er auch zusammen mit seinem Schwager Erbe des seit Jahren schwelenden Prozesses zwischen Rübsam und dessen Neffen Linards in Mayen. Erst 1746 können die beiden Schwäger diesen komplizierten Rechtsstreit beenden[52]. Hat vorher Matthias Rübsam Grundstücke gekauft, so kauft von nun an Johann Friederich von Mering Land auf: Wiesen und Weinberge. Er erneuert Pachtverträge. Eine Begehung von Grundstücken mit einem dazu vereidigten Katasterbeamten ist unter den Akten der Hospitalsstiftung aufbewahrt. Die Einnahmen des Rheinzolls sind zu seiner Zeit numerisch gestiegen – wie es mit der wirtschaftlichen Entwicklung steht, kann ich daraus nicht ableiten. Noch fehlt die „umfassende Untersuchung über die Rheinzölle“, wie schon 1948 Max Braubach beklagt hat[53]. Immerhin ist Frieden im Lande. Andernach erholt sich langsam von den Zerstörungen im 17. Jahrhundert. Die wunderschönen Schlossbauten des Kurfürsten Clemens August in Brühl und Bonn verbreiten Optimismus. Die Titel und Ehrenämter geben meinem Vorfahren Gewicht unter seinesgleichen. Darf ich mir also Johann Friederich Mering, Zöllner, um 1740 als stattlichen kurfürstlichen Hofrat in Perücke und mit Bordüren geschmücktem Rock vorstellen, in den hohen Stiefeln eines Beamten, der oft am Wasser zu tun hat, die feinen ledernen Handschuhe in der beringten Hand, umgeben von seinen Söhnen Henrich Matthias, elf, Franz Caspar, sieben und Matthias Melchior, 5 Jahre alt? Und Maria Gertrude Rübsam, genannt de Mering, im Sessel daneben, im Samt- oder Atlaskleid über dem schon schweren Leib, in der seidenen Haube, mit echten Spitzen an den Handgelenken? Beider Wangen sind voll und leicht gerötet, wahrscheinlich isst und trinkt das Paar mit barocker Lebensfreude. Sie sind wohlhabend, gesellschaftlich integriert, vielleicht sogar beliebt. Sie werden beide am Schlag sterben, Friederich, wie wir lasen, 1754, Maria Gertrude schon 1745, apoplexiâ tacta[54]. Sie werden das wertvolle Stadthaus mit der Wappen geschmückten Pforte, die schönen Weinberge und Wiesen, die Einnahmen aus den Hofgütern in Ochtendung, Welling, Rübenach und Mayen und die Barzahlungen aus dem Fideikommiss des Domherrn ihren drei Söhnen hinterlassen, die beim Tod des Vaters 25, 21 und 19 Jahre alt sind. Henrich, Franz und Matthias sind sehr verschieden – und sehr verschieden werden die Erben von Friederich Mering, Zöllner in Andernach, mit ihren Chancen umgehen.
Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 110, Test K 763, Gertrudt von Kreps.
LHA Koblenz, Best. 2 Nr. 1452.
Habebunt insuper ex fructibus massae haereditariae … ratione cujuslibet filiy, qui octo annorum aetatem attigerit, 66 duo (sexaginta sex) imperiales et 52 albos et ratione cujuslibet filiy, qui studia humaniora et philosophia frequenta verit centum imperiales, et ratione cujuslibet filiy, qui Theologiae, aut juris civilis studuerit 250 (duocentum et quinquaginta) imperiales, ut expensas tunc necessarias eo facilius subministrare possint.