Johann Friedrich Mering, Zöllner in Andernach - Eine Männerfreundschaft

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Eine Männerfreundschaft

Solche Nachrichten findet der Familienforscher nicht alle Tage. Da gibt es also zwei Freunde, zwei nun schon ältere Männer, der eine ist Domherr und Kanonicus in Köln, der andere Schöffe am Hohen Rittergericht und Ratsherr, immer wieder auch Bürgermeister von Andernach. Henrich de Mering ist 1733 sechsundsechzig Jahre alt. Matthias Rübsam ist 71 Jahre alt. Sie fühlen sich beide als nobiles, auch wenn Rübsam kein de verwendet. Sie sind beide Juristen, mögen sich seit ihren Studienjahren kennen, sind sich beruflich bei Gerichtsverhandlungen, auch bei Landtagen der Stände begegnet. Sie fühlen sich beide verantwortlich für die gleiche Nachkommenschaft: für die Kinder der Tochter Rübsams, die die Kinder von Henrichs Bruder Friederich Mering sind. Wenn man bedenkt, dass Heiraten im 18. Jahrhundert sehr oft das Ergebnis von Verträgen zwischen zwei Familien sind, kann man schließen, dass die beiden Freunde das junge Paar nicht erst jetzt fördern, sondern dass sie im Jahr 1724 diese Heirat auch gestiftet haben. Matthias Rübsam hatte keine lebenden Söhne, doch vier Töchter und ein großes Vermögen. Eine Tochter war gesundheitlich zart, sie blieb ledig, eine wurde geistlich, eine hatte schon 1717 Caspar Paffrath, einen Ratsverwandten und Ritterschöffen von Andernach, geheiratet. An einer guten Verheiratung auch der ältesten Tochter Maria Gertrude war dem Vater sicher gelegen. Auf der andern Seite der Domherr aus Köln. Auch er hatte ein schönes Vermögen, noch vermehrt durch das Testament von Tilman Theodor. Sein einziger überlebender Bruder war nun, 1724, etwa 38 Jahre alt, er war nach Ansicht des Geistlichen lange genug Offizier gewesen, er sollte eine feste Beamtenstelle einnehmen und, da seine erste Frau verstorben war, wieder heiraten. Er sah sich also nach einer passenden Partie für seinen Bruder um.Das Verhältnis zwischen Kurköln und Andernach war seit 1716 gespannt[26]. Vielleicht war die Rückkehr des Fürstbischofs Joseph Clemens aus dem französischen Exil 1715 gar nicht gut für Andernach gewesen. Vielleicht hatte sich die Stadt unter der Regierung des Domkapitels und des Kanzlers Karg besser gefühlt. Aber vielleicht hatten sich auch in den langen Jahren, wo Kurköln nur von Stellvertretern verwaltet wurde, die Probleme gehäuft. Auf jeden Fall war der Staat verarmt, den Turnos an Andernach schuldig geblieben. Und auf jeden Fall hatten die Nuppeneys nicht nur den Rhein- und den Landzoll, sondern auch den Amtsverwalterposten und das Schultheißenamt an sich gebracht. Als im Jahr 1723 der Fürstbischof Joseph Clemens und 1724 sein Zöllner in Andernach, der Patrizier Hyeronimus Nuppeney sterben, ist es Zeit für eine Wende. Mit dem Regierungsantritt von Clemens August soll alles anders werden. Gleich 1724 erhebt die Stadt Andernach auf dem Rechtsweg Klage gegen den neuen Erzbischof Clemens August, dass Kurköln ihr den Turnos seit 1716 schuldig geblieben sei.[27] Sie erklärt auch, dass sie sich auf keinen Fall mit Schuldverschreibungen an die kurfürstliche Rentkammer abspeisen lassen wolle, da ihre eigenen Gläubiger, zu deren Befriedung sie das Geld brauche, solche Schuldverschreibungen ablehnten. Das wirft ein bemerkenswertes Licht auf den Zustand der Finanzen des Erzbistums. Und dass die Rechtsanwälte des Kurfürsten verlangen, Andernach solle den Text des Privilegiums beibringen, während die Stadt behauptet, das habe sie längst der Rentmeisterei gegeben, wirft ein Licht auf das Durcheinander in der Verwaltung.Es gibt noch weiteren Ärger. Irgendjemand muss dem Domkapitel in Köln gemeldet haben, dass die Erben des Zöllners Nuppeney seit langem das Amt als Eigentum der Familie betrachteten und den Zollhof an der Nettebrücke, der doch kurfürstliches Lehen sei, unter die private Erbmasse gezählt und neu vergeben haben, ohne das Domkapitel zu fragen[28]. Das Domkapitel strengt einen Prozess an. Der Nettehof sei altes Eigentum des Domkapitels, der Nettebrückenzoll Teil des Kölner Landzolls und 1658 zwar an die Familie Nuppeney verpachtet worden, aber bei der Neuvergabe habe es mitzureden. Die Nuppeneys berufen sich im Prozess darauf, dass das Domkapitel 1689, als es den Hof nach den Zerstörungen des bayrischen Erbfolgekrieges nicht in Stand setzen konnte, auf den Besitz verzichtet habe. Natürlich war das ein anderes Domkapitel damals – und auch eine andere Generation Nuppeney. Der Streit wird heftig geführt. Die beiden Freunde Henrich de Mering und Matthias Rübsam erfahren natürlich aus erster Hand von diesen Prozessen, der eine als Schöffe am Rittergericht und Ratsherr von Andernach, der 1722 gerade wieder einmal Bürgermeister war, der andere als rechtsgelehrtes Mitglied des Domkapitels. Vielleicht sind beide besorgt über den Unfrieden. Vielleicht kommt er ihnen auch sehr gelegen. Gemeinsam denken sie über eine Schlichtung nach. Und natürlich denken sie an ihre eigenen Interessen. Mering glaubt zu wissen, dass das Domkapitel auf keinen Fall einen der Nuppeney-Erben auf einem Posten des kurfürstlichen Zolls in Andernach sehen will. Und auch den Amtsverwalterposten soll kein Nuppeney mehr innehaben. Matthias Rübsam weiß Rat. Am 17. Juli 1724 ernennt Kurköln den Schwiegersohn Rübsams, Caspar Paffrath, zum Amtmann von Andernach[29] und auch der neue Rheinzöllner soll ein Schwiegersohn Rübsams werden: der Bruder des Kölner Domherrn, verlobt mit Rübsams Tochter Maria Gertrude. Ich hoffe, meine These ist nicht allzu kühn. Aber die Ablösung der Familie Nuppeney von den kurfürstlichen Ämtern wird am 24. April 1726 noch vorangetrieben, wenn auch der Landzoll und das Nettebrückengeld Matthias Rübsam zugesprochen wird[30].

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