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Der Rheinzoll
Andernach und Kurköln haben, scheint mir, wie die Brüder Mering eine ambivalente Beziehung zueinander. Andernach kann Kurköln als Schutzherrn nicht entbehren, andererseits ringt es immer um Selbstbehauptung. Kurköln, meist in finanziellen Nöten, braucht die Zustimmung der Stadt zu seinen Steuerplänen auf den Landtagen und die Einnahmen aus dem Andernacher Zoll. Den Rheinzoll von Andernach, ehemals ein Recht des Reiches, hat Kaiser Barbarossa 1167 seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Reinhard von Dassel geschenkt. Bis ins 18. Jahrhundert ist das Domkapitel als Regierung des Fürstbischofs Inhaber des Zolls. Es behandelt den Rheinzoll wie ein Kapital und vergibt Anteile bzw. Schuldbriefe an finanzkräftige Bürger[17]. So wird schon in einem Kölner Testament von 1646[18] erwähnt, dass die Erblasserin „Ihren antheil der Andernagischer Churf. Zoll daselbsten habender geldern“ an die Armen verteilen will.Zu diesem Kapitalmarkt gehört auch eine praktische Seite: Der Rheinzoll wird erhoben. Dazu müssen die Frachtschiffe bei Berg- und Talfahrt in Andernach anlegen, sich kontrollieren lassen und Zollgebühren nach Tarif bezahlen. Die Gebühren müssen eingesammelt, aufgeschrieben und nach Abzug der Unkosten an den Fürstbischof abgeführt werden. Das Personal für diesen Aufgabenbereich besteht traditionell aus Zöllner, Zollschreiber, Beseher, Nachgänger und zwei Zollknechten. Dazu gehört ein Zollgebäude über einem Stadttor an der Rheinseite von Andernach[19], dessen Bauplan aus einem Renovierungsvorhaben von 1775[20] erhalten ist. Neben einem angewinkelten Eingangsbereich gibt es in der Mitte eine Schifferstube, eine Küche mit Herd und ein Kontor, im wiederum angewinkelten Teil ist ein Archiv, zeitweilig auch eine Schlafstube, vielleicht für den Zollschreiber, dessen Nachtruhe im Sommer kurz sein wird. Der Zöllner hat offenbar nie in dem Gebäude gewohnt. Bürgermeister und Rat der Stadt Andernach haben den Zoll von Kurköln direkt vor Augen. Damit diese Augen nicht gar zu neidisch auf die Zöllnerei schauen, bekommt Andernach einen Anteil an den Einnahmen. Der älteste Anteil Andernachs besteht darin, dass Andernacher Waren zu Wasser und zu Lande seit 1346 zollfrei passieren[21]. Die zweite Vergünstigung ist der monatliche Turnos. Dieses Privileg hat den Andernachern Kaiser Friedrich III. 1475 eingeräumt „zur Stiftung einer Messe in der Pfarrkirche daselbst für die in des Reiches Diensten (vor Linz) erschlagenen Bürger von Andernach“[22]. Ursprünglich war der Turnos wohl eine Münze, später muss er immer wieder an die geltende Währung angeglichen werden[23]. Und die dritte Vergünstigung ist, dass das Personal des kurkölnischen Zolls aus Andernachern besteht. Das ist natürlich praktisch, weil die Leute dadurch ansässig und ortskundig sind. Doch kommen eben auch die Gehälter, die von den Gebühren als Unkosten abgezogen werden, Bürgern der Stadt zugute.An der Spitze des Rheinzolls steht immer ein Mann vom Patriziergeschlecht der Nuppeney, jedenfalls so weit ich in den Akten schauen konnte. Das ist schon vor dem 30jährigen Krieg so, das ist so bis zur Zerstörung Andernachs im Jahre 1689 durch die Franzosen und das ist auch nach dem Wiederaufbau 1697 so. Ein Nuppeney ist Zöllner von Andernach bis 1724. Und ein Nuppeney ist Zoll-Verwalter ab 1747[24]. Aber dazwischen, da gibt es einen Zöllner aus Köln. Er heißt Johann Friederich Mering. Wie hat der kaiserliche Hauptmann des löblichen O’Gilvyschen Regiments, wie hat der Bruder der Kölner Geistlichen Henrich und Tilman Theodor Mering diesen traditionsreichen Posten in Andernach errungen?Meine Hypothese, die diese Frage beantworten soll, stützt sich auf ein weiteres Testament aus Köln, das Testament des Domherrn Henrich de Mering vom 7. November 1733[25]. Darin heißt es:…. insuper praenobilem Dominum Scabinum et Consulem Andernacensem Matthiam Rubsam ut pro amicitiâ et afinitate quae intra nos est, et pro amore quo Proles filiae suae prosequitur requiro et nomino ut simul cum Dominis â me supra nominatis Executoribus implementum meae voluntatis exequi et bonum ac utilitatem dictarum Prolium promovere et observare non gravetur et pro grata memoria sumat ex argento meo poculum magnum de auratum. Ich übersetze das so: … außerdem ersuche und ernenne ich den edlen Herrn Schöffen und Bürgermeister von Andernach Matthias Rübsam, dass er wegen der Freundschaft und Nähe, die zwischen uns besteht, und wegen der Liebe, mit der er für die Nachkommen seiner Tochter sorgt, dass er zusammen mit den Herren, die ich oben zu meinen Exekutoren ernannt habe, den Inhalt meines letzten Willens ausführe, und damit es ihn nicht beschwere, das Gute und den Nutzen der erwähnten Nachkommen zu fördern und zu bewahren, und auch zu einem angenehmen Andenken erhalte er aus meinen Silbersachen den großen vergoldeten Becher.